1641 - Die Blutmaske
Blutsauger stürmte auf meinen Freund zu, der nicht anders konnte, als sich zu wehren. Eine kurze Bewegung mit der rechten Hand reichte aus. Schon zuckten die drei Riemen der Peitsche auf ihn zu, und denen konnte er nicht ausweichen.
Sie trafen ihn voll. Dabei wurde nicht nur der Oberkörper erwischt, auch das Gesicht blieb nicht verschont.
Ein tierischer Schrei gellte auf. Der Blutsauger kam nicht mehr weiter. Er drehte sich auf der Stelle. Sein Mund stand auch weiterhin offen. Die Augen waren verdreht. Er schlug um sich und fand schließlich keine Kraft mehr, auf seinen eigenen Beinen zu stehen.
Ich musste nicht mehr eingreifen, und so schaute ich zu, wie der Blutsauger zusammenbrach. Vor unseren Füßen blieb er liegen. Sein Gesicht war durch die Treffer gezeichnet. Tiefe Wunden zeichneten sich auf der Haut ab, und uns war klar, dass wir ihn erlöst hatten. Er war jetzt richtig gestorben, und so konnten wir beide aufatmen…
***
Suko ließ die Riemen wieder im Griff der Peitsche verschwinden und fragte: »Geht es uns jetzt besser?«
Ich breitete die Arme aus. »Sicher.« Dann lächelte ich. »Jedenfalls wird er keinen Menschen anfallen und sein Blut aussaugen.«
Suko bückte sich und drehte den Toten auf den Rücken. Dessen Gesicht hatte wieder einen normalen Ausdruck angenommen, er sah sogar irgendwie zufrieden aus.
Aus einem Menschen war ein Vampir geworden. Aber dieser Mensch hatte eine Geschichte. Er war womöglich verheiratet. Hatte vielleicht Familie, Freunde und Bekannte, die bald an seinem Grab stehen würden und nach dem Warum fragten.
Wir konnten die Wahrheit nicht sagen und würden uns die Ausrede eines Überfalls einfallen lassen. Damit würde auch der Chef der Ausstellung leben müssen. Er war für uns wichtig. Denn er würde uns sagen können, was gestohlen worden war. Wenn wir das wussten, konnten wir weitersehen.
Ich telefonierte nicht mit der normalen Mordkommission, sondern mit der Spezialabteilung beim Yard. Die Männer würden die Leiche abholen und ansonsten den Mantel des Schweigens über den Vorfall ausbreiten. Es ging nicht anders, aber es würde weitergehen, davon mussten wir ausgehen. Wir standen erst am Beginn.
Ich wandte mich an Suko, der die Taschen des Toten durchsuchte. Die Kollegen würden bald hier erscheinen.
Als ich auf die Uhr schaute, war die vierte Morgenstunde bereits angebrochen. Müdigkeit verspürte ich nicht.
»Der Mann heißt Arnie Cooper«, sagte Suko, der einen Führerschein gefunden hatte. »Er sollte nur sein Blut abgeben, das war alles. Deswegen ist er gestorben.«
Ich nickte. Dabei dachte ich auch an Justine Cavallo, und in mir schoss eine Flamme der Wut hoch. Letztendlich lag es in ihrer Verantwortung, dass so etwas Schlimmes geschehen war, und eine wie sie sah uns als Partner an. Das Verhältnis zwischen uns musste noch mal überdacht werden.
Auf der anderen Seite hätte es noch schlimmer kommen können, wenn dieser Blutsauger freie Bahn gehabt hätte. Da hatte sich die Cavallo auf unsere Seite gestellt und so noch Schlimmeres vermieden. Das waren wir von ihr gewohnt.
Ich verließ das Museum, weil ich einfach frische Luft brauchte. Meine Augen brannten schon. Es war der Anflug von Müdigkeit, der mich da in den Klauen hielt.
Suko kam zu mir. »Ich weiß, woran du jetzt denkst, John.«
»Und woran?«
»Daran, wo sich wohl unsere Freundin Justine herumtreiben könnte.«
»Stimmt.«
Er sagte: »Wir werden sie finden. Sie und die Domina.«
»Nicht, wenn sie nicht will.«
»Sie braucht uns.«
»Meinst du?«
»Bestimmt. Denn du darfst eines nicht vergessen: Justine mag zwar stark sein, aber da gibt es jemanden im Hintergrund, dem sie kaum das Wasser reichen kann.«
»Du meinst Dracula II?«
»Wen sonst?«
Blauer Lichtschein huschte gespenstisch über die Straße und an den Hauswänden entlang.
Die Kollegen kamen und würden alles weitere regeln.
Wir aber standen erst am Anfang, und das war alles andere als positiv zu sehen…
***
Wenn Justine Cavallo etwas durchzog, überließ sie es nur ungern dem Zufall. Sie hatte sich zuvor schon einen Plan zurechtgelegt.
Sie musste mit ihrer neuen Freundin verschwinden, und sie hatte sich bereits einen entsprechenden Ort als Versteck ausgesucht. In London wurde viel gebaut, und an den Baustellen standen auch die Bauwagen, die in der Nacht nicht besetzt waren.
So fuhren die beiden Vampirinnen eine Baustelle an, und die Cavallo war zufrieden. Sie lächelte sogar, als sie hinter dem Lenkrad saß. Um
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