1641 - Die Blutmaske
Dann wurde sie davon eingenommen. Dann war sie eine Mörderin. Dafür sorgte einzig und allein die Maske.« Er nickte heftig.
Ich fragte: »Wissen Sie denn weitere Details über diese Frau?«
»Ja, Mr. Sinclair. Sie setzte die Maske nur auf, wenn sie eines ihrer Feste feierte, zu der nur bestimmte Gäste geladen wurden. Sie frönten ihren Orgien, die nicht selten mit einem Blutbad endeten. So ist es überliefert.«
»Und wie sah das aus?« Der Kurator senkte den Kopf, wahrscheinlich musste er nachdenken. Es konnte auch sein, dass ihm die Antwort nicht so leicht fiel.
Er wischte über sein Gesicht, bevor er flüsterte: »Das waren namenlose Opfer, die sich die Herrschaft aussuchte. Wenn sie genug gefeiert hatten, kam es zum Höhepunkt. Dann trat Gabriela Scotti in ihrer Maske auf, und mit dem Dolch tötete sie Menschen, die sich die Gesellschaft von der Straße geholt hatte. Dabei spielte es keine Rolle, ob es eine Frau oder ein Mann war. Es musste immer Blut fließen, das war der Höhepunkt. Die Opfer verschwanden dann auf Nimmerwiedersehen in den Kanälen.« Er atmete schwer und drückte dabei seine Hände gegen die Brust. »Jetzt wissen Sie also über beide Gegenstände Bescheid.«
Suko und ich schauten uns an. Es war eine Schauergeschichte, die wir da gehört hatten. Sie konnte stimmen, musste es aber nicht. Und doch glaubten wir dem Mann. Wir hatten einfach schon zu viel erlebt, um so etwas einfach ignorieren zu können. Suko wollte wissen, wie es dazu gekommen war, dass die Maske solch eine Macht besaß.
Malcolm Cohn lachte bitter. »Man sagt ihr nach, dass sie dem Teufel geweiht ist.«
»Hat die Scotti das getan?«
Der Kurator hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Ich glaube es nicht. Die Scotti hat davon nur profitiert, aber sie war auch das, was man früher als Hexe bezeichnet hätte. Nur war sie so mächtig, dass ihr der Scheiterhaufen erspart blieb.«
»Wie ist sie gestorben?«
»Es tut mir leid, da muss ich passen. Über ihren Tod ist nichts bekannt. Sie verschwand plötzlich aus den Annalen. Man sagt, dass sie sich, als sie alt wurde, selbst umgebracht hat. Durch einen giftigen Trank. Aber das sind alles Gerüchte. Die Maske und der Dolch, die waren ihre Hinterlassenschaft. Die hat man aufbewahrt. Der Doge selbst soll sich darum gekümmert haben.«
»Gut«, stellte ich fest und fragte weiter: »Wie sind Sie an den Dolch und die Maske gelangt?«
»Ich habe Beziehungen zu den Kollegen in Venedig. Man hat mir die Unikate für eine Ausstellung zusammengestellt. Darunter befanden sich auch die Maske und der Dolch.«
»Die gab man so einfach her?«, wunderte sich Suko.
»Nicht gern, wie alles hier. Aber an diese Geschichte glaubte niemand. Man hielt es für ein Gerücht. Für eine Legende, die den Besuchern Schauer über den Rücken treiben sollte.«
»War das bei Ihnen auch so?«
»Ja, das gebe ich zu.«
»Und jetzt?«
Malcolm Cohn hob die Schultern. Man sah ihm an, dass er sich unwohl fühlte.
»Was soll ich dazu sagen? Ich weiß es nicht. Ich habe es auch nie so recht geglaubt. Auch jetzt fällt es mir schwer. Aber wenn ich daran denke, dass beides gestohlen wurde, wird mir schon komisch. Das muss ich zugeben. Vielleicht gibt es jemanden, der tatsächlich daran glaubt. Oder was meinen Sie?«
»Kann schon sein«, erwiderte ich. »Ihr Wächter ist nicht grundlos gestorben. Er muss etwas gesehen haben, und das bringt mich zu meiner nächsten Frage. Die Ausstellung wird überwacht, und ich denke mir, dass es davon Aufzeichnungen gibt.«
»Das stimmt. Eine Video-Kassette.«
»Wunderbar. Haben Sie sie griffbreit? Oder wurde sie von dem Sicherheitsmann mitgenommen?«
»Nein, die ist noch hier. Mr. Thornton wollte sie mitnehmen. Ich habe mich geweigert, weil ich ja wusste, dass ich von Ihnen Besuch bekommen würde.«
»Das war gut mitgedacht, Mr. Cohn.«
»Wir können sie uns in meinem Büro ansehen. Ich habe dort einen Recorder.«
»Perfekt.«
Der Kurator ging vor, und Suko fragte mich mit leiser Stimme: »Versprichst du dir etwas davon?«
»Keine Ahnung. Ich denke, es ist einen Versuch wert.«
»Okay. Lassen wir uns überraschen.«
***
Wir mussten nicht die Treppe hochgehen. Das Büro des Kurators lag in diesem Bereich. Der Mann hatte eine schlichte Tür mit der Aufschrift Büro geöffnet.
Es war ein recht kleiner Raum, in dem uns die stickige Luft auffiel. Ich zumindest hätte ein Fenster geöffnet, aber Cohn tat es nicht. Es war nur ein Stuhl
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