1641 - Die Blutmaske
hob die Maske an.
»Sie ist nicht nur wunderbar, sie ist auch sehr alt. Über zweihundert Jahre und…«
»Interessiert mich auch nicht. Ich sehe keinen Grund, das Ding auf mein Gesicht zu legen.«
Justine legte den Kopf zurück und lachte. Das Geräusch verstummte abrupt, als sie Jane anschaute. Ihr Gesicht hatte sich kaum verändert, die faltenlose Glätte war geblieben, doch ihr Blick zeigte einen schon gefährlich zu nennenden Ausdruck.
»Hör mir genau zu, denn diese Maske hat eine Geschichte. Ich war davon ausgegangen, dass sie einem Blutsauger gehört hat. Da habe ich mich geirrt. Es ist nicht tragisch, denn die Maske gehörte einer gewissen Gabriela Scotti.«
»Kenne ich nicht«, sagte Jane steif.
»Das ist auch kaum möglich, denn sie ist schon lange tot.«
»Wie schön für sie.«
Die Blonde schüttelte den Kopf. »Irrtum. Sie mag zwar tot sein, aber etwas hat überlebt, und das ist in dieser Maske zurückgeblieben. Sie war keine Blutsaugerin, das wiederhole ich, aber sie war dem Blut trotzdem sehr zugetan. Sie wollte es fließen sehen. Nicht ihr eigenes, sondern das Blut anderer Menschen. Und deshalb tötete sie mit der Maske vor dem Gesicht in der Lagunenstadt unzählige wahllos ausgesuchte Menschen. Sie ergötzte sich daran, denn sie hatte sich mit dem Teufel verbündet. Sie, die Frau, die zugleich eine Hexe war. Ja, so konnte man ihre wahre Bestimmung bezeichnen. Sie war eine Hexe. Wie du, Jane!«
»Nein, ich bin keine Hexe!«, erklärte Jane Collins voller Nachdruck.
»Diese Zeiten sind vorbei.«
»Meinst du?«
»Ich sage es dir.«
Justine deutete mit dem Finger auf Janes linke Brustseite. »Ich kenne dich. Ich kenne dein Schicksal, und so weiß ich, dass du einmal eine Hexe gewesen bist.«
Jane winkte ab. »Das liegt lange zurück.«
»Ich weiß. Aber nicht alles ist verschwunden. In dir stecken noch die alten Hexenkräfte. Sie sind nur unterdrückt, aber nicht völlig verschwunden. Etwas ist noch vorhanden, und deshalb bist du prädestiniert, diese Maske zu tragen.«
Jane lachte Justine an. »Die einer Toten gehört hat, wie? Was soll ich damit?«
Die Cavallo wiegte den Kopf. »Die Maske hat einer inzwischen verstorbenen Person gehört. Die Scotti hat allerdings in ihrem Leben schon ihre Zeichen gesetzt, indem sie sich mit dem Teufel verbündete. Und seine Kraft hat dafür gesorgt, dass diese Maske so etwas wie ein Erbe ist, wenn du verstehst.«
»Nicht wirklich.«
Mit einer sanften Bewegung strich die Cavallo über die Maske hinweg.
»Es ist nicht alles vergangen. Es steckt noch etwas in ihr, und das ist der Geist der Gabriela Scotti. Diese Maske ist davon erfüllt, und ich möchte, dass du sie aufsetzt.«
Jetzt war es heraus. Jane musste zugeben, dass sie sich alles andere als wohl in ihrer Haut fühlte. Was ihr gesagt worden war, hatte zwar unwahrscheinlich geklungen, doch es war sicherlich keine Lüge. Sonst hätte sich die Cavallo nicht so stark um diesen Gegenstand bemüht. Sie wollte etwas Bestimmtes herausfinden und hatte sich Jane Collins als Testobjekt ausgesucht.
»Nun, was sagst du?«
»Ich werde sie nicht aufsetzen.«
Justine verzog die Lippen. »Das solltest du aber. Du kannst keine Forderungen stellen, dazu bin nur ich in der Lage. Und ich will, dass du die Maske aufsetzt. Es ist wichtig für uns beide, denn ich suche nach einer Waffe, mit der ich Dracula II bekämpfen kann.«
»Verstehe. Aber dann setze du sie auf!«
»Nein. Ich bin keine Hexe. Ich bin eine Vampirin. Und ich muss dir nicht erklären, wie sehr Hexen und Vampire verfeindet sind. Das weißt du alles selbst.«
Jane wurde langsam sauer. »Ich sehe mich auch nicht als Hexe an. Begreif das endlich.«
»Aber es steckt etwas in dir. Das kannst du nicht bestreiten. Und ich weiß verdammt genau, dass ich damit nicht falsch liege.«
Jane funkelte die Vampirin an. »Es ist vorbei, verdammt noch mal! Ich will es einfach nicht!«
Justine nickte. Sie tat so, als hätte sie sich damit abgefunden. Dann aber reagierte sie blitzschnell. Jane sah den Schlag gar nicht kommen und musste den Treffer voll hinnehmen.
Ihr Kopf flog zurück. Sie sah die berühmten Sterne, und eine Sekunde später war das Durcheinander perfekt.
Da verlor sie die Übersicht und fand sich plötzlich am Boden liegend wieder.
Im Moment konnte sie nichts tun. Jede Bewegung fiel ihr schwer. Es war für sie nicht möglich, auf die Füße zu gelangen. Sie hörte ein Lachen, das sich ihr näherte, dann streckte die Cavallo ihren rechten
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