1642 - Ein Rächer aus dem Nichts
gespült hat. Egal, ich änderte mein Leben. Es gibt sogar ein Grab von mir. Nur meinen Namen habe ich nicht geändert, aber ich lebe in einer anderen Existenz, ich bin eine Warnerin. Ich habe mich einem Zirkus angeschlossen und arbeite dort als Wahrsagerin. Ich warne die Menschen vor den Gefahren aus dem Unsichtbaren, aber das ist mehr Hokuspokus. Tatsächlich sieht es in meinem Innern ganz anders aus. Das Erlebnis hat mich geprägt. Ich sehe Dinge, die anderen Menschen verborgen bleiben, und so habe ich auch den Kontakt zu diesem Rächer bekommen.«
»Sie kennen ihn?«
»Nein, nein.« Loreen winkte ab. »Ich kenne ihn nicht. Ich kann ihn nur spüren, wenn er wieder unterwegs ist. Er ist gefährlich. Er ist jemand, dem man nicht vertrauen darf. Er will das Gute, aber seine Mittel stehen im Gegensatz dazu, das wissen Sie selbst.«
Ich gab ihr recht. »Aber wie kommt ein gewisser Skip Tandy da ins Spiel?«
Die Frau überlegte einen Augenblick. »Das ist im Prinzip sehr leicht, auch wenn es für Sie anders aussieht. Um in unsere Welt zu gelangen, brauchte er eine Verbindung. Es musste jemand sein, der ihn holte, der ihn erst kennenlernen musste. Und dabei hat er sich Skip Tandy ausgesucht. Er ist der perfekte Zeichner. Von der anderen Seite aus wurden dem Jungen die Ideen gegeben, die er dann umsetzte. Das Bild des Rächers entsprang nicht seiner eigenen Fantasie. Alle Ideen waren vom Rächer. Auch der Name. Gothic wollte sich so sehen, dass er mit sich zufrieden sein konnte. Das hat er geschafft. Die Verbindung war hergestellt und sie wird immer stärker. Er ist da, wo er hinwollte. Der Junge denkt, dass es seine Ideen sind, die er zeichnet, er weiß nicht, dass er manipuliert wird. Gothic hat ihm sogar zweimal das Leben gerettet. Dass es dabei Tote gegeben hat, das störte ihn nicht. Menschliche Hemmungen sind ihm fremd. Es zählt nur seine neue Existenz. Er hat das getan, wovon viele in seiner Welt träumen, glaube ich.«
»Und was ist das für eine Welt?«, flüsterte Johnny, der ebenfalls gespannt zugehört hatte.
»Die, in der auch ich war. Ein anderes Reich. Ein Gebiet der Dämonen oder der bösen Engel. Ich kann es nicht genau sagen, und ich werde die Wahrheit wohl nie erfahren, was nicht schlimm ist. Inzwischen habe ich mich an meine neue Existenz gewöhnt. In mir steckt noch etwas von dem, was ich erlebt habe. Aus diesem Grund habe ich die Anwesenheit des Rächers gespürt. Ich habe es sogar geschafft, mit dem Jungen Kontakt aufzunehmen, kurz bevor auf ihn der erste Überfall verübt wurde. Ich bin aus der U-Bahn ausgestiegen und so schnell wie möglich mit meinem an der Station geparkten Wagen zur nächsten gefahren. So habe ich den Rächer dann in Aktion erlebt.«
Sie hatte uns einiges gesagt, und wir sahen auch klarer. Ich musste mir meine Worte gut überlegen. Dem Gefühl nach traute ich ihr, aber mich quälte dennoch eine Frage.
»Warum haben Sie sich gemeldet? Als Zeugin, meine ich.«
»Ich wollte einen Hinweis geben.«
»Der sehr schwach war.«
»Das weiß ich selbst. Aber ich wusste, dass es weitergehen würde und habe mich nicht getäuscht.«
»Waren Sie in dem Bus?«, fragte Suko.
»Nein, das nicht. Ich habe nur davon gehört.« Sie faltete die Hände.
»Bitte, Sie müssen mir einfach glauben, dass ich es ernst meine. Ich will nicht, dass etwas Grauenhaftes diese Welt erschüttert, die schon genügend Schrecken erlebt. Das müssen Sie mir abnehmen. Ich kann nicht vergessen, was mir widerfahren ist. Ich weiß auch, dass es nicht gut war, mich aus diesem Leben abzumelden. Vielleicht kann ich jetzt etwas gutmachen. Dieser Gothic darf nicht weiter sein Unwesen treiben, auch wenn er dies anders sieht. Aber er ist ein Mörder, das steht zweifelsfrei fest. Und er beherrscht Skip Tandy. Auch das müssen Sie mir glauben.«
Loreen Sander hatte viel und auch lange gesprochen. Jetzt war sie fertig. Sie sah erschöpft aus und presste ihre Hände vor das Gesicht.
Suko schaute mich an, ich sah ihn an.
Johnny sagte ebenfalls nichts. Er saß da und schüttelte den Kopf.
Stimmte das alles, was sie uns gesagt hatte? War sie ehrlich gewesen oder wollte sie uns hinters Licht führen?
Langsam sanken die Hände der Frau wieder nach unten, wir schauten in ihr Gesicht, das noch immer durch die Sorgenfalten gezeichnet war. Sie streckte uns die Hände entgegen und sagte mit leiser Stimme: »Bitte, Sie müssen etwas unternehmen.«
»Klar, das sehen wir ein. Aber was können wir tun? Man hat uns eiskalt im
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