1647 - Engelstadt - Höllenstadt
hatte, war zwar nicht so schlimm gewesen und hatte sich nach keiner direkten Bedrohung angehört, aber sie war eine Person, die weiter dachte. Und da konnte es durchaus sein, dass Carlottas Erlebnis erst der Anfang war, dass viel Gewaltigeres dahintersteckte.
Die Tierärztin wollte Carlotta die gute Nachricht mitteilen. Sie musste ja auch Bescheid wissen, dass es länger dauern würde, bis Maxine bei ihr eintraf. Aber mit John Sinclair. Das würde Carlottas Stimmung heben.
Sie nahm das Handy noch mal in die Hand, um das Vogelmädchen anzurufen.
Der Ruf ging durch. Nur nahm niemand ab.
Sie startete einen zweiten Anruf. Erneut ohne Erfolg.
Das war der Moment, in dem sie unruhig wurde und ein Gefühl der Beklemmung erlebte.
Carlotta war zu weit weg, als dass man ihr hätte helfen können. Und so schickte Maxine ihr nur eine SMS. Mehr konnte sie nicht tun.
Ab jetzt hoffte sie, dass die Zeit doppelt so schnell verflog wie normal…
***
Nichts, gar nichts konnte sie tun. Die unsichtbaren Hände wirkten wie Eisenklammern und nahmen Carlotta die Luft.
Sie brauchte einen Augenblick, um zu reagieren. Zuerst war sie steif wie ein Brett, dann fing sie an, sich zu wehren, und schlug um sich.
Gleichzeitig bewegte sie ihre Füße, um nach hinten zu treten, aber sie fand keinen Feind.
Dennoch blieben die unsichtbarer Klauen an ihrem Hals, und mit einer schnellen Bewegung wurde Carlotta herumgewirbelt. Sie fürchtete um ihre Flügel, die ihr womöglich gebrochen werden konnten, aber die Angst musste sie nicht haben, denn die unsichtbaren Hände ließen sie los.
Der Schwung war so groß, dass sich das Vogelmädchen nicht mehr fangen konnte. Es stolperte über seine eigenen Füße und fiel. Der Untergrund war glücklicherweise nicht hart. Das Gras dämpfte den Fall.
Trotzdem hatte sie Probleme, und sie hörte Livias Schrei. Der sorgte dafür, dass sie wieder auf die Füße kam und breitbeinig stehen blieb.
Auch ihre Leidensgenossin hatte es erwischt. Sie wurde noch gehalten.
Zwar stand sie ebenso breitbeinig wie Carlotta, aber ihr Körper war dabei nach hinten gebogen, und das kam nicht von ihr. Da waren Hände, die keiner sah, die trotzdem vorhanden waren und Livia umklammerten.
Carlotta dachte darüber nach, was sie tun sollte.
Wegfliegen?
Das wäre eine Möglichkeit gewesen. Nur hätte sie Livia dann im Stich lassen müssen, und das wollte sie nicht. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob ihr die Flucht durch das Fliegen überhaupt gelang. Die andere Seite war ebenfalls in der Lage, sich unorthodox zu bewegen, und das musste sie berücksichtigen. Sie wollte nicht, dass es zu einer Jagd kam.
Und dann fiel ihr noch etwas auf.
Bisher hatte sie von den Angreifern nichts gesehen. Jetzt hatte sie den Eindruck, nicht genau hingeschaut zu haben, denn die Angreifer waren trotzdem irgendwie sichtbar. Zwar nicht als normale Körper, wohl aber als Umrisse, die sich leicht zitternd in der Luft abhoben. Es war schon ein Phänomen, das Carlotta zunächst nicht glauben konnte und dabei den Kopf schüttelte, aber sie waren vorhanden. Geheimnisvolle Gestalten, nicht mehr als Umrisse und zudem nicht ausgefüllt.
Das war der eine Punkt. Es gab noch einen zweiten, und der sorgte dafür, dass ihre Probleme nicht kleiner wurden. Urplötzlich hatte sie den Geruch wahrgenommen. Nein, kein Geruch, es war mehr ein Gestank, der sie umgab und der zudem permanent gegen sie wehte.
Um den Gestank zu beschreiben, passte eigentlich nur ein Begriff. Widerlich.
Oder Ekel erregend.
Süßlich, eklig, dafür sorgend, dass einem übel wurde.
Verwesungsgeruch!
Ja, genau das war es. Das musste es sein.
Als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, da hatte sie das Gefühl, schreien zu müssen, weil ihr zugleich ein weiterer Gedanke gekommen war.
Ich bin von Toten umgeben! Oder von Gestalten, die etwas mit verwesenden Leichen zu tun haben. Ausgerechnet das hat mich jetzt erwischt.
Grauenhaft…
***
Es war keine Einbildung. Den Gestank gab es wirklich. Er glich einem unsichtbaren Dampf, der sich um sie herum verdichtet hatte. Sie traute sich kaum, den Mund zu öffnen und nach Luft zu schnappen. Carlotta hielt den Atem an, was sie aber nicht lange durchhalten konnte. Sie musste Luft holen und atmete nur behutsam durch die Nase.
Gewöhnen konnte sie sich an diesen Gestank nicht. Aber sie war auch nicht die Einzige, die sich mit diesem Geruch auseinandersetzen musste. Ihr gegenüber stand Livia, und Carlotta glaubte nicht, dass sie davon verschont
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