1647 - Engelstadt - Höllenstadt
okay. Sie ist jemand, die immer eine Lösung findet.«
»Wie könnte die denn aussehen?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich kann mir vorstellen, dass sie so denkt wie ich.« Carlotta hob die rechte Hand. »Da fällt mir etwas ein. Bist du allein oder gibt es noch mehr von deiner Art?«
»Ich bin nicht allein. Es gibt andere, die so sind wie ich. Aber mir ist die Flucht gelungen.«
»Aus dieser Engelstadt?«
»Ja. Für mich ist sie eine Höllenstadt. Es kommt darauf an, wer man genau ist.«
»Okay, das kriegen wir schon hin.«
Bevor Carlotta sich mit ihrem Handy beschäftigte, wollte sie sich in der Nähe umschauen. Es war wichtig, dass sie gut geschützt waren und nicht so schnell entdeckt wurden. Hier konnten sie einigermaßen sicher sein, die nicht allzu hohen Bäume schützten sie, auch wenn sie die meisten ihrer Blätter verloren hatten.
Sie hatte schon ein schlechtes Gewissen, denn sie hatte Maxine versprochen, sich zu melden. Und eigentlich war sie schon über der Zeit.
Wenn sie jetzt erzählte, in welch eine Lage sie geraten war, würde die Tierärztin aus allen Wolken fallen. Carlotta hoffte nur, dass sie Maxine nicht zu sehr störte.
Die Stimme der Tierärztin war schnell zu hören. »Na endlich, Carlotta, ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Ach, das musst du nicht.«
»Tatsächlich nicht? Deine Stimme klingt irgendwie anders.«
Carlotta schnaufte. »Nun ja«, gab sie zu. »So richtig glatt ist mein Ausflug nicht verlaufen, das muss ich schon zugeben.«
Nach diesem Geständnis herrschte zunächst ein kurze Pause.
»Ich hatte es im Gefühl«, flüsterte Maxine Wells dann. »Was ist denn genau passiert?«
»Ja - ahm…« Carlotta wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte.
Dafür fragte Maxine: »Wo steckst du eigentlich?«
»Nicht weit von Melrose entfernt. Es gibt hier in der Nähe einen kleinen See, dort habe ich eine Pause eingelegt. Die tut mir und auch Livia gut.«
Das war ein Anfang, und Maxine hakte auch sofort ein. »Wer ist Livia?«
»Eine junge Frau. Aber nicht viel älter als ich. Sie sieht aus wie ein Mensch. Das ist sie nicht, wie sie mir selbst gesagt hat. Sie ist mehr ein Engel.«
»Bitte?«
»Ja, ein Engel.«
Die Tierärztin war erst mal sprachlos. Sie ließ sich Zeit, um das Gehörte zu verdauen. Dabei überlegte sie, ob Carlotta ihr ein Märchen erzählen wollte. Aber welchen Grund hätte sie gehabt, von einem Engel zu sprechen, wenn er dies nicht auch war?
»Kannst du mir genau berichten, was passiert ist?«
»Ja, das wollte ich. Hast du denn Zeit?«
»Habe ich.«
Carlotta hatte sich schon zurechtgelegt, was sie berichten wollte. Sie war davon überzeugt, dass Maxine ihr Glauben schenkte, denn zu viele ungewöhnliche Dinge hatten die beiden schon erlebt. Da waren die normalen Gesetze der Welt auf den Kopf gestellt worden und sie hatten sich mit Vorgängen befassen müssen, von denen sie früher nicht mal gedacht hatten, dass es so etwas überhaupt gibt.
Maxine Wells hatte sich vorgenommen, genau zuzuhören, und das tat sie jetzt auch. Mit keinem Wort und keiner Frage unterbrach sie das Vogelmädchen, das froh war, wenig später alles gesagt zu haben, und sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn abwischte.
»Das ist mir passiert, Max.«
Die Tierärztin schwieg. Erst nach einer Weile fand sie ihre Sprache wieder. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Carlotta. Aber man kann dich einfach nicht allein lassen. Es passiert immer wieder etwas. Das ist wie ein Fluch.«
»Schon, Max. Nur kann ich daran nichts ändern. Ich habe es nicht freiwillig getan.«
»Das weiß ich ja. Bist du denn sicher, dass diese Livia verfolgt wird?«
»Sie hat es mir so gesagt. Ich glaube ihr auch, denn ich habe ebenfalls diese seltsamen Stimmen gehört, aber niemanden zu Gesicht bekommen. Das sind unsichtbare Verfolger gewesen, wobei Livia von Teufeln gesprochen hat.«
»Da wird sie sich wohl nicht geirrt haben. Jetzt seid ihr also zu zweit auf der Flucht.«
»So sieht es aus.«
»Und ihr wisst nicht, wohin ihr sollt?«
»Doch, aber…«
»Zu mir?«
»Das dachte ich mir.«
»Das ist keine Frage, ihr könnt kommen.«
»Danke.«
»He, nicht so voreilig. Was ist mit den Verfolgern? Könnten sie noch in der Nähe sein?«
»Moment.« Carlotta wandte sich an Livia, die ein wenig abseits stand und eine angespannte Haltung eingenommen hatte. »Spürst du die Verfolger? Hörst du etwas?«
»Nein.«
»Dann haben wir sie abgehängt?«
»Ich schätze. Aber sicher
Weitere Kostenlose Bücher