1650 - Schrei, wenn der Albtraum kommt
mich mit meinem Essen. Der Eintopf machte mir nicht nur durch seinen Duft Appetit, er schmeckte auch fantastisch und war perfekt gewürzt. Ich brauchte direkt noch ein zweites Bier, das schnell gebracht wurde.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Abel Jagger.
»Könnte besser nicht sein.«
»Freut mich. Wenn Sie noch einen Nachschlag haben wollen, lassen Sie es mich wissen.«
»Auf keinen Fall. Das Essen ist so reichlich, davon können zwei Leute satt werden.«
»Ja, dafür sind wir bekannt.«
Er ging, ich aß weiter und spürte, dass meine Lebensgeister zurückkehrten. Genau ein solches Essen hatte ich gebraucht.
Der Teller war fast leer, als ich ihn zur Seite stellte. Sogar ein leichter Schweißfilm lag auf meinem Gesicht.
Die Normalität war vorbei, und meine Gedanken drehten sich wieder um den Fall, der mich hergeführt hatte. Es ging um den Albtraum-Reiter.
War er mir noch auf der Spur, oder hatte er bereits aufgegeben? Alles hing in der Schwebe.
Ich setzte darauf, dass er sich mich als eigentlichen Gegner ausgesucht hatte, denn mir war es gelungen, ihm einige Niederlagen zu bereiten. So etwas vergaß er sicher nicht.
Der Wirt kam und erkundigte sich, ob ich einen Schnaps wollte. Er pries seinen selbst gebrannten Kräuterlikör an, aber da konnte er reden, wie er wollte.
»Nein, nein, ich kann nur immer wieder sagen, das Essen war hervorragend, aber ich werde mir draußen ein wenig die Beine vertreten und dann in mein Bett steigen.«
Ich trank das restliche Bier, stand auf und streifte die Jacke über. Dann verließ ich den Raum, ging die zwei Stufen hinunter und trat hinein in den Abend, der an dieser Stelle nicht so dunkel war, weil eine Straßenlaterne in der Nähe stand. Von links hörte ich Musik. Dort befand sich die Disco, deren Leuchtreklame sich wie dünnes Blut bis zur Straße hin ausbreitete.
Tod, Blut, der Reiter!
Das Bild sah aus wie ein Omen. Es war noch nicht vorbei. Es ging weiter, und ich rechnete damit, dass sich dieser Albtraum noch in der Nacht melden würde.
Ich überlegte schon, ob ich versuchen sollte, wach zu bleiben. Wenn ich schlief, gab ich der anderen Seite die Chance, an mich heranzukommen.
Es war vielleicht sogar besser, das zu erleben, was auch andere Menschen schon durchgemacht hatten. Zudem fühlte ich mich durch mein Kreuz geschützt.
Im Moment zeigte sich der Reiter nicht. Wenn ich die Straße nach rechts und nach links schaute, war sie leer, abgesehen von dem Bereich der Disco, wo sich einige junge Leute auf der Straße aufhielten und qualmten, was das Zeug hielt.
Das Warten hier draußen brachte mir nichts, und so entschloss ich mich, die paar Schritte zu gehen und mich ins Bett zu legen. Ich hatte einen Ring mit zwei Schlüsseln bekommen. Einer davon passte in das Schloss an der Haustür.
Ich ging in den schmalen Flur und hörte aus dem Bereich der kleinen Rezeption Musik. Es wunderte mich schon, dass sie besetzt war. Meine Neugierde ließ mich einen Blick hineinwerfen.
Eigentlich hatte ich Kate Jagger erwartet. Aber sie saß nicht dort und schaute MTV an. Es war Lorna, die Schwiegertochter, die sich auf die kleine Glotze konzentrierte.
Aus dem Augenwinkel musste sie wohl die Bewegung an der Tür wahrgenommen haben, denn sie richtete sich auf und erhob sich dann von ihrem Stuhl.
»Oh, Mr. Sinclair.«
»Ja, ich habe noch etwas frische Luft geschnappt. Haben Sie jetzt hier Dienst?«
»Das habe ich. Meine Schwiegermutter hat heute ihren Kartenabend. Da halte ich die Stellung. Manchmal kommt noch recht spät ein Gast. Der soll sich auch wohl fühlen.«
»Das ist verständlich.« Sie funkelte mich an, und mir fiel erst jetzt richtig auf, dass sie sich umgezogen hatte. Ein schwarzer Pullover spannte sich über ihren Oberkörper. Er ließ den Ansatz der beiden nicht eben kleinen Brüste sehen, die man schon mit Melonen vergleichen konnte. Die Wangen in dem runden Gesicht zeigten ein künstliches Rot, und auch das aufgelegte Make-up war nicht zu übersehen.
Innerlich lächelte ich, denn ich ahnte, was Lorna Jagger vorhatte. Sie lebte in einem Kaff, das ihrer Lebenseinstellung widersprach. Hin und wieder schien sie eine kleine Abwechslung zu brauchen.
»In Ihrem Zimmer ist alles klar?«
»Sicher, ich bin zufrieden.«
»Oder soll ich nicht doch noch mal nachschauen?«
Das Angebot war schon mehr als durch die Blume gesprochen. Ich winkte mit beiden Händen ab.
»Nein, nein, ich bin ganz zufrieden. Hinter mir liegt ein langer Tag, ich werde jedenfalls tief
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