166 - Sohn dreier Welten
zu ziehen. Dann fiel ihm ein, dass die Waffe bei der Begegnung mit den Kristianern verloren gegangen war. Also presste er die Zähne aufeinander und stürzte sich an seinem Gefährten vorbei. Seine Flossenhände krallten sich ins ätzend riechende Fell der Bestie.
Im gleichen Moment hatte Quart'ol seinen Stab gezogen und drosch ihn dem Tier auf die Nase.
Der Hund jaulte auf und kniff die Rute ein. Dann raste er über das den Hinterhof füllende Gerümpel hinweg. Das Getöse, das er dabei erzeugte, ließ die Rohlinge herumwirbeln.
Die Frau nutzte den Moment der Verwirrung. Einem Angreifer trat sie zwischen die Beine und brachte den zweiten mit einem Stoß aus dem Gleichgewicht. Der Mann fiel rücklings auf ein Brett, in dem offenkundig jede Menge Nägel steckten, denn als er eine Sekunde später aufsprang und wie am Spieß um Hilfe schrie, hing es an seinem Rücken fest.
Die Frau gab Fersengeld. Quart'ol ging davon aus, dass sie sich hier auskannte. Es war wohl sicher keine schlechte Idee, wenn sie sich ihr anschlossen. Er nahm Buki'pas Hand und zog ihn hinter sich her. An einem hohen Holzstapel, der sie vor den Blicken der stöhnenden Verbrecher abschirmte, stolperte er und fiel hin – und blickte auf ein langes rostiges Messer, das einem Hydriten gut als Kurzschwert dienen konnte.
Quart'ol nahm es an sich und überließ dem waffenlosen Buki'pa seinen Schockstab. Gemeinsam eilten sie weiter, bis sie eine Stelle am Zaun erreichten, an der die Frau ein gelockertes Brett zur Seite schob.
»Wo kommt ihr denn her, ihr Rotznasen?«, fragte sie, als sie Hydriten sah. »Weiß eure Mutter… oh!« In diesem Moment erkannte sie, dass es sich bei den beiden um bärtige Zwerge handelte. Sie zögerte nur einen Moment, dann hob sie die Hand und bedeutete ihnen, durch die Zaunlücke zu huschen.
»Los!« Quart'ol gab seinem Kollegen einen Schubs und sagte: »Danke, meine Dame.«
Das Gestöhn der Banditen wurde hinter ihnen schwächer.
Quart'ol und Buki'pa eilten vor der Frau her durch eine finstere Gasse. Auch hier waren alle Türen und Fenster verrammelt.
»Bleibt stehen!«, fauchte die Frau plötzlich.
»Was hat sie gesagt?«, fragte Buki'pa.
Quart'ol brauchte die Frage nicht zu beantworten. Er hielt an. Buki'pa tat es ihm gleich.
Die Frau baute sich vor ihnen auf. Ihre Augen waren groß und strahlend schwarz, ihre Zähne so weiß wie Gischt. Andere Hydriten hätten in ihr nie etwas Schönes sehen können, doch Quart'ols Seele hatte viel Zeit im Geist eines Menschen zugebracht. Ihm waren die Kriterien bekannt, nach denen die Menschen Schönes definierten. Und gemäß ihnen war diese Frau eine Schönheit.
»Bevor ich euch weiter helfe: Wer seid ihr und was tut ihr hier?«, fragte sie mit Nachdruck.
»Wir sind Narod'kratow-Mönche«, sagte Quart'ol sein Sprüchlein auf, »und suchen den Heiler Qasim. Er soll hier irgendwo wohnen.«
»Qasim?« Die Frau beugte sich vor.
Quart'ol hatte den Eindruck, dass sie ihn genauer ansehen wollte. Er verwünschte ihre Neugier und neigte den Kopf. »Ja. Mein Gefährte hat einen schlimmen Husten.«
»Oh.« Die Frau wich zurück. »Ist er ansteckend?«
»Furchtbar ansteckend. Bleib ihm lieber fern. Vielleicht hat er mich auch schon infiziert«, sagte Quart'ol. Er wollte so schnell wie möglich eine Auskunft und dann verschwinden.
»Weißt du, wo wir Qasim finden können?«
»Sicher.« Die Frau drehte sich um und streckte einen Arm aus. »Ich glaube, er wohnt da drüben… Nein …« Sie drehte sich nach rechts. »Wenn ich mich nicht irre, wohnt er … Oder doch nicht?«
»Was sagt sie?«, fragte Buki'pa leise. »Du hast sie doch nach dem Rückweg zum Hafen gefragt, oder?«
Aaarghhh! Quart'ol stöhnte innerlich auf.
***
September 2521
Daa'tan kniff die Augen zu, als Oshettas Messer seine Kehle berührte. Die Klinge war kalt und scharf, und da war ein dumpfer Schmerz – der Vorbote des Todes! Der Junge hatte schon gesehen, wie Tiere getötet wurden. Ein kurzer Schnitt, und das Leben floss heiß und schäumend aus ihnen heraus.
Unaufhaltsam. Das durfte nicht geschehen! Nicht mit ihm!
Die Ungeheuerlichkeit erzwungenen Sterbens verwandelte Daa'tans Angst in Wut. Er rief sich Oshettas Bild vor Augen, konzentrierte sich darauf und befahl in Gedanken: Lass es! Leg das Messer weg! Sofort!
Es schien zu funktionieren. Die Klinge löste sich von seiner Kehle, und Daa'tan hörte, wie das Messer zu Boden fiel. Einen Moment lang brandeten Triumph und Erleichterung in ihm hoch wie
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