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166 - Sohn dreier Welten

166 - Sohn dreier Welten

Titel: 166 - Sohn dreier Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel und Ronald M. Hahn
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belebte Handelsstraße im Osten Bulgariens entlang und hatte Wichtigeres zu tun als zu kommunizieren: Daa'tan hielt nach weiteren Reitern Ausschau. Zwei Mal schon waren welche vorbeigeprescht in den letzten Tagen – und beide Male hatte es ein Blutbad gegeben!
    »Hoffentlich tauchen bald wieder Tuurks auf!« Daa'tan sprach etwas lauter als nötig, denn vor ihm quietschte ein altersschwacher Erntekarren dahin, von Mähnenschafen gezogen und hoch beladen. Das Mädchen auf dem Karrenrand zupfte Blüten aus dem Heu und flocht sie zusammen. Sie summte vor sich hin und ließ die nackten braunen Beine baumeln. Manchmal blickte sie hoch. Daa'tan schaute dann immer weg.
    (Sollte es erneute Angriffe auf dieser Straße geben, werden wir über Land weiter gehen!) Grao'sil'aana prüfte diskret die Gedanken des Mädchens, und eine Braue seines Wirtskörpers wanderte hoch. Er hatte nicht gewusst, dass elfjährige Primärrassenvertreter schon so triebgesteuert waren.
    »Ich gehe nicht von dieser Straße runter!« Daa'tan kickte einen Stein davon.
    (Du tust, was ich dir sage! Ich bin dein Lehrmeister und du musst mir gehorchen!)
    »Muss ich nicht!« Daa'tan rammte seine Hände in die Taschen. Er war wütend, denn ihm blieb nichts anderes übrig, als nun doch mental zu kommunizieren. Das Mädchen wunderte sich bestimmt schon, dass er dauernd sprach und nie eine Antwort erhielt. (Außerdem gibt es auf dem Land nichts zu lernen. Da waren wir schon. Es ist todlangweilig da! Ich will nicht immer nur Verhaltensweisen blöder Leute studieren! Ich will was erleben!)
    (Dafür bist du noch viel zu jung!) Grao'sil'aana schüttelte energisch den Kopf. (Du bist noch keine drei Jahre alt und kannst mit gefährlichen Situationen gar nicht umgehen.) Daa'tans Augen wurden zu Schlitzen. »Ich bin zwölf!«, knurrte er. »Und was ich kann oder nicht kann, wird sich ja zeigen!«
    Daa'tan warf einen letzten Blick auf das Mädchen und rannte los – von der Straße hinunter und querfeldein davon.
    Grao'sil'aana sah ihm erstaunt hinterher. (Wo willst du hin, Daa'tan?)
    (Weg!)
    (Definiere weg! )
    (Ich hasse dich, es ist langweilig bei dir, ich will was erleben und endlich allein sein! Das heißt weg!) Daa'tan hetzte durch die Landschaft – über abgeerntete Felder, durch noch sommergrüne Wiesen und an Baumreihen entlang, die schon die ersten Anzeichenherbstlicher Verfärbung trugen. Grao'sil'aana konnte ihn nicht einholen, dafür war der Daa'mure zu groß und zu schwer. Aber er konnte ihm mental auf den Fersen bleiben, zumindest eine Weile! Der Junge glaubte, dass er sich nur weit genug entfernen musste, um seinen Bewacher loszuwerden. Dann wäre er frei und durfte tun, was er wollte! Für immer! Ein ganzes Leben lang!
    Daa'tan ahnte nicht, dass Grao'sil'aana in diesem Moment bereits hilfesuchend mit dem Sol kommunizierte. Doch der musste sich um andere Dinge kümmern: Am Kratersee liefen die Vorbereitungen zur nuklearen Kettensprengung auf Hochtouren, da war keine Zeit für bockige Zwölfjährige. Also gab er Grao'sil'aana den Befehl, in Daa'tans Nähe zu bleiben, um notfalls eingreifen zu könnten. Ansonsten sollte der Junge ruhig einmal probeweise in die Freiheit entlassen werden.
    Sie währte eine halbe Stunde.
    Als Daa'tan ein paar Reiter sah, hielt er sie für Tuurks und folgte ihnen. Er war fasziniert von den kriegerischen Tuurks, die auf der anderen Seite des Bosporus lebten und gelegentlich herüber kamen, um lebende Beute zu schlagen. Dass sie vielleicht auch ihn versklaven könnten, fiel dem Jungen nicht ein.
    Daa'tan erreichte ein verstecktes Tal. Unterhalb der Felsen waren Lastkarren abgestellt. Sie formten einen Schutzring um die Zelte der Madaaren, einer fremden Sippe, die hier im bulgarischen Grenzgebiet umher streifte. Stehlen war ihre Haupteinnahmequelle, und entsprechend bunt beladen sahen ihre Wagen aus.
    Alles wirkte friedlich. Ein paar Frauen machten sich am Lagerfeuer zu schaffen, Kinder rannten spielend herum, und vor einem der Zelte döste ein altersgrauer Lupa.
    Daa'tan lächelte: Es machte Spaß, sich anzuschleichen! Das tat er dann auch, und zwar vermeintlich unbemerkt – zwischen Sträuchern hindurch, die dick und grün in der Landschaft standen. Einer von ihnen teilte sich plötzlich. Der Mann, der ihn als Tarnung benutzt hatte, fackelte nicht lange. Er schlug den Jungen nieder.
    Daa'tan stöhnte, als er zu sich kam. Dumpfer Schmerz pochte in seinem Hinterkopf, das Bild vor seinen Augen schwankte, und er hatte Mühe, sich

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