166 - Sohn dreier Welten
tosende Wellen. Doch dann hörte er den Schrei.
»Tuurks! Tuurks!«
Daa'tan riss die Augen auf, und da waren sie – die braunhäutigen, bärtigen Krieger, die ihn so faszinierten! Sie kamen auf hochbeinigen Pferden heran, die genauso wild waren wie ihre Reiter und mit fliegender Mähne um die Wagenburg galoppierten.
Lärmende Hektik brach los. Frauen und Kinder flüchteten in die Zelte, die Madaaren rannten zu den Waffen. Daa'tan spürte eine feuchte kalte Nase an seinen gefesselten Händen, als ein zahmer Lupa schutzsuchend unter den Karren kroch. Er war alt, und er kannte das Prozedere offenbar gut. Daa'tan wandte den Blick nach vorn.
Pfeile zischten in die Reihen der Angreifer. Die Tuurks beantworteten sie mit einem Griff nach ihren waffenstarrenden Gürteln. Ein Messer nach dem anderen sirrte durch die Luft, verschwand hinter den Wagen und löste gellende Schreie aus.
Daa'tan erregte der Kampf. Er genoss den Kitzel knapp vorbei donnernder Hufe, die Nähe der Kämpfenden und das Blitzen tuurkischer Krummschwerter. Es roch nach Pferden, nach Schweiß und nach Blut. Der Wind des Krieges streifte den Jungen, und Daa'tan berauschte sich an ihm in der vermeintlichen Sicherheit, nur ein unbeachteter Zuschauer zwischen den Fronten zu sein.
Einer der Tuurks hatte es ihm besonders angetan. Der Mann trug goldene Ohrringe und goldbeschlagene Stiefel. Seine Pluderhose war rot, nicht schwarz wie die der anderen, und er ritt einen mächtigen weißen Hengst. Er war bestimmt der Anführer.
Irgendwann werde ich auch ein Anführer sein!, versprach sich Daa'tan, als ein Pfeil diesen Tuurk ins Bein traf. Der brüllte, griff zu und riss sich das Geschoss aus dem Fleisch.
Blut spritzte.
Daa'tan verrenkte sich fast den Hals, um zu sehen, wer geschossen hatte. Er entdeckte Oshetta, der erneut auf den Anführer zielte. Der Tuurk ritt ohne Deckung weiter, und diesmal würde ihn Oshetta wohl in den Rücken treffen. Daa'tan schloss die Augen. Schieß daneben! befahl er. Weit daneben!
Inzwischen musste das Lagerfeuer der Madaaren außer Kontrolle geraten sein, denn an Daa'tan zog Rauch vorbei.
Darüber her sirrte ein Pfeil ins Nichts. Es hat geklappt! Daa'tan spürte heißen Triumph. Er wandte sich dem Mann zu, der ihm noch vor wenigen Minuten die Kehle hatte durchschneiden wollen, und befahl: Dreh dich um! Leg an und schieß auf deine eigenen Leute!
Oshetta gehorchte. Ein Pfeil nach dem anderen schnellte von der Sehne, und vermutlich hätte er den ganzen Köcher leer geschossen, wäre nicht ein Tuurk auf ihn aufmerksam geworden. Tote Madaaren brachten keinen Gewinn auf dem Sklavenmarkt! Der Tuurk zog sein Pferd herum, spornte es an und zog den Krummsäbel. Als das Tier die Deichsel übersprang, schlug er zu. Oshettas Kopf fiel zu Boden.
Daa'tan war empört: Er hatte noch einen weiteren Befehl für den Madaaren gehabt! Nun konzentrierte er sich auf den Tuurk.
Binde mich los!, forderte er – und tatsächlich stieg der Mann vom Pferd! Irgendwo außer Sicht brandete Lärm auf. Die Angreifer hatten es offenbar geschafft, den Schutzring der Wagen zu durchbrechen, und kämpften jetzt Mann gegen Mann.
Daa'tan zappelte vor Ungeduld. Er würde noch alles verpassen! Beeil dich!, befahl er dem Tuurk, der seltsam steifbeinig näher kam. Kurz vor dem Ziel fiel er wie ein Brett zu Boden: Sein Rücken war mit Pfeilen gespickt. Daa'tan ließ nicht locker. Binde mich los! Binde mich los!, wiederholte er unentwegt. Der sterbende Mann kroch heran, tastete nach den Stricken und löste sie mit letzter Kraft. Als seine Hand herunter fiel, streifte sie den Lupa. Schnapp ging es, und ein paar Finger fehlten. Es knackte vernehmlich, als das Tier sie zerkaute.
Daa'tan sprang auf und rannte ins Innere der Wagenburg, wo die Sieger gerade damit begonnen hatten, ihre Gefangenen zu fesseln. Er fühlte sich so groß, so mächtig und unbesiegbar, dass er fast gejauchzt hätte. Wenn die Tuurks und die Madaaren ihm gehorchten, konnte er den Nachmittag mit einem schönen Spiel verbringen! Stellt euch alle wieder auf!, befahl er. Ich will den Kampf noch mal sehen!
Nichts geschah. Daa'tan wunderte sich kurz, dann fiel es ihm ein. Sie haben kein kollektives Bewusstsein, erinnerte er sich. Man muss Primärrassenvertreter einzeln ansprechen!
Sein Blick fiel auf den Anführer der Tuurks. Der Mann war von einer Aura der Macht umgeben mit dieser vornehmen Kleidung und dem schönen, mächtigen Schimmel. Daa'tan überlegte sich, dass der Platz im Sattel des Mächtigen
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