1661 - Der Torwächter
hörte, die auf eine Gefahr hinwiesen. Nach der kurzen Erholungsphase verließ sie den Kellerraum. Sie trat in einen ihr unbekannten Gang und stellte erst jetzt fest, dass sie sich nicht in einem Keller befand, denn es gab keine Treppe, die nach oben führte. Dafür links von ihr eine Wand, die von einigen Fenstern durchbrochen war. Jenseits der schmutzigen Scheiben entdeckte sie einen weiteren Bau, der sie an einen Schuppen erinnerte, und sie glaubte auch, ihn zu kennen. Ihr Weg endete vor einer Tür. Cora betete, dass sie nicht abgeschlossen war. Sie sah die alte Klinke, legte die Hand darauf und atmete wenig später auf, denn die Tür ließ sich öffnen. Sie drückte sie auf und freute sich über die kalte Luft, die ihr Gesicht umfloss.
Ich bin wieder frei!
Es war der erste Gedanke, der sie beschäftigte. Allerdings gab es noch einen zweiten, und der wurde nicht von ihrer Erleichterung getragen, denn er drehte sich um Peter Blaine.
»Denk nur nicht, dass du gewonnen hast, Blaine«, flüsterte sie, »vergessen habe ich nichts…«
***
Mike Rander hatte seinen Vorsatz eingehalten und war zurückgeblieben. Zuvor allerdings hatte er uns den Weg gezeigt, den wir nehmen mussten, um den Friedhof im Wald zu erreichen. Er führte über das Feld, auf dem noch immer graubleiche Schneereste lagen.
Wir verließen uns darauf, dass der Land Cruiser die Strecke schaffte, und schärften dem jungen Mann noch mal ein, auf der Hut zu sein.
»Keine Sorge, ich lasse mich nicht fertigmachen. Und ich werde Cora finden, das verspreche ich.«
Ich setzte mich hinter das Lenkrad. Der Platz vor der Rampe war leer geworden. Die Bewohner hatten sich verzogen. Nur der Fotograf stand noch dort, der uns nachschaute.
»Ob das richtig war, dass wir ihn allein gelassen haben?«, fragte Bill leise.
»Keine Ahnung. Aber er ist erwachsen, Bill. Wir können ihm nichts vorschreiben. Für ihn ist diese Cora Grisham wichtiger.«
»Und für die andere Seite wohl auch.«
»Klar, Bill. Aber ich sehe das etwas anders. Ich glaube nicht, dass sie es wagen, Mike zu töten. Sie wissen, wer wir sind und dass ein Mord hier einiges in Bewegung bringen würde. Den Stress können sie sich nicht leisten. Sie werden darauf setzen, dass wir in den Wald gehen und von dort nicht mehr zurückkehren.«
»Wegen des Torwächters?«
»So ungefähr.«
»Na«, sagte Bill, »da können wir uns mal so richtig überraschen lassen.«
»Das meine ich auch.«
Wir fuhren an. Über eine Querstraße erreichten wir den Rand des Ortes und damit auch das Feld. Die Dämmerung würde noch auf sich warten lassen, und so hatten wir Zeit genug, uns im Wald umzuschauen.
Vier Reifen wühlten sich durch das Erdreich. Lehm und Schneereste vermischten sich zu einem feuchten Matsch, der mit einem normalen Wagen nicht zu durchqueren war.
»Der Wald wird uns Antworten geben«, sagte Bill, »Davon bin ich überzeugt.«
»Hoffentlich hast du recht.«
»Hast du eine Ahnung, wer dieser Torwächter sein könnte?«
»Nein, absolut nicht.«
»Vielleicht einer, der diesen Friedhof hütet. Er ist ja gewissermaßen ein Tor zum Jenseits.«
»Das könnte sein. Zumindest symbolisch.«
Bill nickte. »Dann lassen wir uns mal überraschen.«
Etwas anderes blieb uns auch nicht übrig.
Den größten Teil der Strecke hatten wir hinter uns gelassen. Der Wald war näher gerückt, wir sahen ihn als ein dichtes dunkles Gebilde oder Mauerwerk vor uns, in das wir hinein mussten.
Ich wüsste nicht genau, wo Mike Rander geparkt hatte, ich wollte nur nahe genug an den Wald herankommen, damit wir nicht zu weit über das matschige Feld laufen mussten.
Unsere Blicke blieben auf den Waldrand gerichtet. Ob man uns schon von dort gesehen hatte und unter Kontrolle hielt, war nicht zu erkennen. Es gab nur die dunkle Wand, die gut zu dem grauen Schieferhimmel passte. Es wehte kein Wind. Die kalte Luft drückte. Weit über uns bewegten sich einige dunkle Flecken durch die Luft. Schwarze Vögel, die wie Warner wirkten. Zwischen Feld und Waldrand gab es einen schmalen Streifen. Wenn der Schnee getaut war, verlief dort bestimmt ein Weg. Im Moment war gar nichts zu sehen. Vor uns lag ein Mischwald. Laub und Nadelbäume hatten sich hier ausbreiten können. Sie standen recht dicht beisammen. Es würde alles andere als ein Spaß werden, wenn wir ihn durchsuchten. Aber eine andere Wahl hatten wir nicht. Bevor wir ihn betraten, schauten wir noch mal zurück. Das Feld lag menschenleer vor uns, aber am anderen Rand zeichneten
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