1661 - Der Torwächter
später in einem Graben, in dem sich noch alter Schnee gehalten hatte.
Passiert war ihm nichts. Rander hatte sich nur erschreckt. Er blieb im Graben liegen, lauschte seinem Herzschlag und war froh, dass er sich nichts verstaucht hatte. Nur musste er zunächst den Schock überwinden, bevor er seinen Weg fortsetzen konnte.
Der Rutsch in den Graben war auch so etwas wie eine Chance. Um ihn herum war es ruhig geworden.
Rander bewegte sich nicht. So hörte er bald die Geräusche, die er erwartet hatte. Er war nicht lautlos geflohen, und seine Verfolger schafften es auch nicht. Bisher hatte er sie nicht gehört, doch das änderte sich jetzt. Sie liefen genau in seine Richtung. Auch sie wollten den Wald verlassen, und es schien ihnen egal zu sein, wie viel Lärm sie dabei verursachten. Sie riefen sich gegenseitig etwas zu, was der Fotograf nicht verstand, und sie kamen immer näher.
Es waren Einheimische, die sich auf seine Fersen gesetzt hatten. Leute, die sich auskannten und die den Wald schneller durchqueren würden als er. Mike ärgerte sich darüber, dass er sich zu viel Zeit gelassen hatte. Er musste weg.
Er raffte sich auf. Die Fotos mussten in Sicherheit gebracht werden. Genau das war seine Antriebsfeder. Die Öffentlichkeit hatte ein Recht darauf zu erfahren, was in dieser Gegend des Landes ablief. Und wenn die Bilder veröffentlich waren, würde er weitermachen, denn es ging ihm um Cora.
Mike kletterte aus dem Graben. Ein freudiger Schreck durchschoss ihn, denn vor ihm lag kein Wald mehr. Er hatte das Ende früher erreicht als angenommen. Vor ihm lag das freie Feld. Auf diesem Gelände hatte er auch seinen Land Cruiser abgestellt. Er musste ihn erreichen, bevor die beiden Männer ihn erwischten. Er lief über den weichen Acker. Im Hellen hatte er anders ausgesehen. Jetzt kam ihm das Gelände vor wie ein dunkles Meer, dessen Wellen erstarrt waren. Die Schneeflecken sahen aus wie graue Augen. Der Untergrund war weich. Seine Füße sanken ein, und es war kein normales Laufen mehr, eher ein Pflügen. Die Flucht hatte ihn angestrengt. Es ging ihm an die Kondition, er hörte sich selbst keuchen, und es wären keine Laute, die ihm Zuversicht gaben. Aber er musste es schaffen. Er musste sich in Sicherheit bringen, und die würde er in seinem Wagen finden, den er tatsächlich im nächsten Moment vor sich sah. Er musste etwas nach rechts laufen, um ihn zu erreichen. Und es waren die Schreie hinter seinem Rücken, die ihn noch mal richtig antrieben. Obwohl er sich nicht umgedreht hatte, vernahm er sie jetzt lauter. Ein Zeichen, dass die Verfolger aufgeholt hatten. Das war alles andere als gut. Gegen zwei Typen anzukämpfen war nicht seine Sache.
Seine Lungen schienen platzen zu wollen. Jedes Luftholen schmerzte. Rander machte weiter. Er dachte dabei auch nur an Cora, mit der er zusammen sein wollte. Die letzten Schritte. Mike konnte die Beine kaum mehr anheben. Er stolperte mehr, als dass er ging. Manchmal erschienen rote Kreise vor seinen Augen, und plötzlich fiel er gegen den Toyota. Und das an der rechten Seite, genau an der Fahrertür.
Es war ein Glücksfall für ihn. Ein zweiter kam noch hinzu. Mike hatte den Wagen nicht abgeschlossen. Und so riss er die Tür auf und kletterte auf den Sitz. Dabei stieß er Laute aus, die eine Mischung aus Lachen und Weinen waren. Er zerrte die Tür zu.
Leider steckte der Zündschlüssel nicht. Der befand sich in der rechten Tasche seiner Lederjacke. Die Hand fuhr in die Tasche und Sekunden später hielt er den Schlüssel zwischen seinen Fingern.
Geschafft - oder?
Mike Rander duckte sich, als er die Schreie hörte. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und hätte vor Wut am liebsten geschrien, denn seine Verfolger waren nur noch wenige Schritte von ihm entfernt. Er sah sie als schwankende Gestalten, die aussahen wie irgendwelche Zombies aus den Horrorfilmen. Mike hatte etwas gesehen, was er nicht hatte sehen sollen. Die andere Seite würde alles daransetzen, dass er nichts verbreitete. Und er sah, wie sie sich nach vorn warfen. Sie prallten gegen die Tür, sie wollten sie aufreißen, was sie nicht schafften, denn Mike hatte sie verriegelt.
Seine Hände zitterten, als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte. Es machte ihn nervös, dass die Hundesöhne gegen die Tür hämmerten. Sie wollten ihn um keinen Preis davonkommen lassen.
Der Motor ließ ihn nicht im Stich. Zum ersten Mal seit langer Zeit drang aus Mikes Mund wieder ein Lachen. Er musste seinen Triumph einfach
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