1661
Molière und ein paar seiner Komödianten. Von der Seite haben wir nichts zu befürchten. Die Ersteren sind verlässlich, und die Gaukler haben wir, glaube ich, genug eingeschüchtert, als wir erklärten, dass wir aus Gründen der Staatsräson einen Spaziergang zur Bastille für notwendig erachten könnten … Die Premiere von Molières neuem Stück ist heute Abend, ich bin mir sicher, dass sie lieber den Mund halten, als dass sie die Aufführung gefährden. Irgendwann sickert es gewiss durch, aber wir haben ein wenig Zeit gewonnen.«
»Gut. Lasst der Truppe eine Gratifikation zukommen. Es schadet nichts, wenn wir ihnen damit das Maul stopfen. Ihr müsst Euch mit den Nachforschungen beeilen, Colbert. Ich will diese Papiere so schnell wie möglich zurückhaben! Unsere Feinde sind zahlreich, wie wir wissen. Und sie sind mächtig, insbesondere, solange wir nicht alle ihre Gesichter kennen. Bei der Suche nach den Dokumenten, die man mir gestohlen hat, dürft Ihr nichts, aber auch gar nichts außer Acht lassen. Die Lage ist äußerst ernst: Das Bekanntwerden meiner Erkrankung, vor allem aber dieser Diebstahl beweist, dass wir vor nichts und niemandem mehr sicher sind. Colbert, meine Interessen und damit auch die Euren hängen von der Schnelligkeit unserer Spitzel ab. Und vielleicht sogar viel mehr als das …«, murmelte der Kardinal und sah seinen Vertrauten durchdringend an.
Colbert verbeugte sich tief und ging leise zur Tür. Die Stille hatte wieder vom Raum Besitz ergriffen, doch in dem Moment, da er die Tür öffnete, hörte er noch einmal die Stimme des Kardinals. Er drehte sich um.
»Colbert …«
»Eminenz?«
»Lasst Euch zuerst von Roze sämtliche Papiere aus meinem Privatkabinett geben, die nicht gestohlen worden sind, und bringt sie an einen absolut sicheren Ort. Danach kommt gleich wieder zu mir. Wir müssen über mein Testament sprechen.«
Colbert verneigte sich noch einmal tief und verließ dann rückwärts das Schlafgemach des Ministers. Als er sich umwandte, war seiner Miene anzusehen, wie beunruhigt er war.
Wald von Fausse-Repose
Sonntag, 6. Februar, gegen zwei Uhr nachmittags
»Töten! Ich werde ihn töten!«
Als er seinem Pferd die Sporen gab, spürte der junge König, wie ihn die Erregung packte, die ihn immer in den letzten Augenblicken einer Jagd ergriff. Mit straffen Zügeln trabte er auf seinem Schimmel hinter dem Jagdaufseher her, der mit langen Schritten zu einer Suhle hinablief, wohin sich der von den Hunden gehetzte Keiler geflüchtet hatte.
Die Lefzen voller Geifer, stand die von der stundenlangen Treibjagd hechelnde Meute vor dem in die Enge getriebenen Tier, das sich gegen eine Lehmwand drückte, von der ins Freie gewachsene Baumwurzeln herabhingen. Wütend warf es den Kopf hin und her, wobei es mit seinen scharfen Hauern zwei allzu kühne Hunde aufspießte und weit von sich schleuderte. Ihr Jaulen wurde von dem heiseren Bellen der anderen Hunde jedoch überdeckt, die das Blut rasend machte.
Einige Meter weiter sprang Ludwig XIV. mit einem Satz vom Pferd, das er mit einem Klaps auf die Brust wieder den Abhang hinaufschickte. Gespannt beobachteten ihn die drei Männer aus seinem Gefolge, die auf ihn gewartet hatten. Wie viel Risiko war der König an diesem Tag bereit einzugehen? Da kam der Jagdaufseher auf sie zu. Lächelnd streckte der König die Hand aus. Der Mann verbeugte sich und reichte ihm seinen Hirschfänger, den er an der Klinge gefasst hielt. Mitgesenktem Kopf trat er zurück, noch ganz ergriffen von der Gunst, die der Herrscher ihm gewährte, das Tier mit seiner Waffe töten zu wollen.
Der König hakte seinen Umhang auf, unter dem der breite lederne Riemen zum Vorschein kam, der seine Brust schützte.
»Auf, meine Herren«, sprach er zu seinem Gefolge, »lasst uns sehen, was der Keiler im Magen hat.«
Den Hirschfänger in der Hand, ging der junge Monarch seinen Jagdgefährten voran, die sich mit Lanzen und Musketen bewaffnet hatten. Als er an eine Stelle kam, wo er sich unter vereisten Zweigen hindurch einen Weg bahnen musste, glaubte einer seiner Männer, ihn warnen zu müssen.
»Achtung, Sire, der Boden ist ziemlich rutschig.«
Der König lächelte herablassend.
»Keine Sorge, Monsieur d’Artagnan, ich habe zwar nicht den sicheren Tritt eines Seemanns, aber im Wald von Versailles kenne ich mich aus.«
Das Wildschwein zitterte inzwischen am ganzen Körper. Die Angriffe der Hunde hatten es erschöpft. Sie hatten nicht von ihm abgelassen, und ihre
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