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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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ritten im Galopp zu der Lichtung, wo die Karossen warteten und ein Imbiss vorbereitet worden war. Eskortiert von dreißig Musketieren, rumpelten die königlichen Karossen den Hügel hinab auf die Pappelallee. In der Ferne waren die roten Mauern des Jagdpavillons von Versailles auszumachen. Die Schieferdächer glitzerten in der Wintersonne.

Palais du Louvre
    Sonntag, 6.   Februar, gegen drei Uhr nachmittags
    Auf seinem Krankenlager ließ Kardinal Mazarin seine Gedanken schweifen. Nicht erst seit ihn die Krankheit zur Bettruhe zwang, genoss er diese Augenblicke der Stille, in denen sein Geist sich wie von selbst auf Dinge richtete, die er bis dahin unberücksichtigt gelassen hatte, und ihn neue Sichtweisen entdecken ließ, die ihm vorher verborgen geblieben waren. Zu seiner Verärgerung musste er sich allerdings eingestehen, dass es ihm an diesem Tag trotz aller Anstrengungen nicht so recht gelingen wollte, Licht in die Angelegenheit zu bringen, die ihm gerade am meisten Sorge machte. Der Verlust der Rechnungsbelege ist höchst ärgerlich, dachte er, und manches davon darf nicht in Feindeshand geraten. Was aber noch viel schlimmer ist   … Kalter Schweiß tropfte von seiner bleichen Stirn. Nein, die Gefahr wäre viel zu groß   …
    Eilige Schritte auf dem Parkett des Vorzimmers und laute Stimmen ließen ihn die Augen öffnen. Das Zimmer lag im Halbdunkel. Die Schritte näherten sich rasch, und dann wurde die zweiflügelige Tür weit aufgestoßen. Das Licht blendete ihn. Er blinzelte und hielt eine Hand schützend vor seine Augen.
    »Halt! Was   …?«
    Er verstummte, als er die ins Licht getauchte Gestalt erkannte, die in sein Schlafgemach getreten war. Der Kardinallächelte und bemühte sich, das heftige Schlagen seines Herzens wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    »Welch ein Auftritt, Madame«, bemerkte er, als er der Königinmutter, die ans Kopfende seines Bettes getreten war, die Hand reichte. »Ich habe Euch zuerst für einen Geist gehalten.« Die Königin lächelte schmerzlich. Ihr leichenblasser Teint, ihr schwarzes, hochgestecktes Haar, das strenge Kleid – aus ihrer ganzen Erscheinung sprach die Angst, die sie um ihn hatte, und verhärtete ihre früher so schönen und sanften Züge.
    »Wirklich, Madame, Eure Sorge um mich ist übertrieben. Nicht das Feuer hat mich auf das Krankenlager geworfen, im Gegenteil, es ist vielmehr der Mangel an Feuer   … an innerem Feuer«, scherzte der Minister.
    Die Königinmutter schüttelte den Kopf, ohne dass jedoch die Traurigkeit aus ihren Zügen verschwand.
    »Lacht nicht über mich, mein Freund, ich bitte Euch. Ich habe meinen Leibarzt kommen lassen, er wartet im Vorzimmer. Seid Ihr sicher, dass Ihr ihn nicht benötigt?«
    Mazarin, der noch immer ihre Hand hielt, schüttelte den Kopf.
    »Ihr braucht Euch wirklich nicht zu ängstigen, Madame. Zwar schwinden meine Kräfte, doch mein letztes Wort habe ich noch lange nicht gesprochen, und ich werde auch weiterhin über Frankreich wachen, das heißt über Euch und mein Patenkind, den jungen König.«
    Als er sah, dass sich die Augen der Königin mit Tränen füllten, drückte der Kardinal ihre Hand noch ein wenig fester, richtete sich etwas auf und fuhr mit entschiedener Stimme fort:
    »Grämt Euch nicht, denkt vielmehr an das, was wir in all den Jahren gemeinsam vollbracht haben. Wir sind Frankreich gewesen, Madame. Wichtig ist jetzt allein, dass unsere Feinde meine Schwäche nicht ausnutzen können. Niemand hat dasRecht, Frankreich, seine Regierung und seinen König zu richten. Euer Sohn braucht Euch, damit ihm der Thron erhalten bleibt. All Eure Kraft muss jetzt auf dieses Ziel gerichtet sein.«
    Die Königin nickte. So viele Ängste, Freuden, Siege und Niederlagen hatte sie mit Frankreichs Erstem Minister geteilt. Wie sie ihn nun anblickte, sah sie vor ihrem geistigen Auge ihr Leben vorüberziehen – sie sah sich als unerwünschte Königin eines Landes, das ihr lange Zeit unheimlich gewesen war; als die Gemahlin eines Königs, den sie niemals richtig gekannt und stets gefürchtet hatte; zunächst eingesperrt in ihrem eigenen Palast, verdächtigt, ausspioniert, denunziert, und dann plötzlich mit Mazarins Hilfe alleinige Regentin und Kriegsherrin, die fähig war, Schicksale und Familien zu zerstören, um den Thron eines Halbwaisen, ihres Sohnes, zu retten.
    »Jules   …«, murmelte sie im vertrauten Ton der großen Intimität, die zwischen ihnen bestand und ohne die sie niemals die Kraft gefunden hätte, all

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