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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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ihren Gegnern zu trotzen. Sie beugte sich zu ihm. Doch er legte seine Fingerspitzen sanft auf die Lippen der Königin.
    »Lasst es gut sein, Madame, ich möchte Euch das Spektakel meiner Schwäche lieber ersparen   …«
    Die Hand der Königin hielt mitten in der Bewegung inne. Dann nickte sie.
    »Ruht Euch aus, mein Freund«, gebot sie ihm mit nunmehr ruhiger Stimme. »Ich bin nebenan.«
    Mit halb geschlossenen Augen sah der Kardinal der majestätischen Gestalt der französischen Königin nach, wie sie durch die Tür in sein Privatkabinett verschwand.

Palais du Louvre
    Sonntag, 6.   Februar, vier Uhr nachmittags
    »Seine Majestät der König!«
    Raschen und entschiedenen Schritts trat Ludwig XIV. in das Schlafgemach. In seiner Erregung hatte der König sich nicht einmal die Zeit genommen, sich umzukleiden. In Jagdkleidung, mit schmutzigen Stiefeln, verschwitztem Hemd, die Handschuhe am Gürtel, näherte er sich dem Himmelbett, in dem Frankreichs allmächtiger Erster Minister in den Kopfkissen döste. Einmal mehr erschrak er über den gelblichen Teint des Kranken. Das Herz wurde ihm schwer, als er sah, dass sich der Zustand seines Paten weiter verschlechtert hatte. Er setzte sich auf den Stuhl, den ein Kammerdiener ihm hastig hinschob, und versuchte unter der übermäßig aufgetragenen Schminke Mazarins tatsächliches Befinden zu erforschen.
    Als er so dem pfeifenden Atem des alten Mannes lauschte, musste Ludwig unwillkürlich an den kleinen Jungen denken, der eines frühen Morgens vor Ludwig XIII. gestanden hatte. Wie Mazarin hatte der König einem stillen, nahezu durchsichtigen Gespenst ähnlich gesehen. Doch der Mann, der hier jetzt vor ihm lag, hatte ihm damals beigestanden. Er war es gewesen, der den schüchternen Vierjährigen an die Hand genommen und ihn zum Sterbebett des Todkranken, der einen widerlich süßen Geruch verströmte, geschoben hatte. Es kam ihm so vor, als stünde er noch immer dort, an jenem Tag vordem Tod seines Vaters, als er aus Paris fliehen musste. Er hatte panische Angst gehabt und sich erst beruhigt, als er die Hand des Kardinals spürte. Auf der ganzen Fahrt nach Saint-Germain hatte er sich verzweifelt daran geklammert und sie nicht mehr losgelassen.
    Ludwig XIV. schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen. Obwohl der Tag sich bereits neigte, war das Zimmer nur schwach beleuchtet. Sie waren allein. Der König begriff, dass sein Erster Minister alle hinausgeschickt hatte, um mit ihm unter vier Augen zu reden.
    »Ich bin sofort herbeigeeilt, um Euch mein Mitgefühl auszudrücken, verehrter Pate. Ich war in der Nähe von Versailles auf der Jagd, wo man mich von dem Brand in Kenntnis setzte.«
    Mazarins Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. Die Jagd, Versailles, das war ganz nach dem Geschmack seines Patenkindes   …
    »Wisst Ihr schon Genaueres?«, fragte der König weiter. »Hat Eure Bibliothek großen Schaden davongetragen? Und was hat das Feuer in Eurer Gemäldesammlung angerichtet? Weiß man, ob Opfer zu beklagen sind?«
    Mazarin hob abwehrend eine Hand, um der Flut von Fragen Einhalt zu gebieten. Er fühlte sich zu schwach, um dem jungen König in seinem Ungestüm zu folgen. Der Minister holte tief Luft, bevor er antwortete.
    »Sire, Euer Kommen ehrt und tröstet mich. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Dieser Tag verheißt nichts Gutes für das Königreich. Colbert ist gerade erst gegangen; er hat mir den Überfall in allen Einzelheiten geschildert.«
    »Den Überfall?«
    »Ja, Sire, das Feuer ist von einer Bande maskierter Schurken gelegt worden. Zweifellos ein Ablenkungsmanöver, um in Ruhe meine Privatgemächer aufbrechen und mein Privatkabinett plündern zu können. Sie haben Dokumente vonhöchster Wichtigkeit gestohlen. Ich verwahrte sie in dem prächtigen Sekretär aus Italien, an dem Ihr als Kind so gern gespielt habt, Sire. Die Schufte haben meinen armen Privatsekretär überwältigt und obendrein einen meiner Wachsoldaten ermordet.«
    »Das lasse ich mir nicht gefallen! Wir werden die Mörder finden! Sie werden ihrer gerechten Strafe nicht entgehen!«, entgegnete der König ganz außer sich. Was ihm sein Pate da mitteilte, war ungeheuerlich. Er sprang von seinem Stuhl auf und begann mit großen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Wie konnte die Garde in Eurem Palais dem tatenlos zusehen? Ich werde den Hauptmann schwer bestrafen lassen und   …«
    »Wenn Ihr erlaubt, Ludwig, so vergessen wir das jetzt für einen Moment«, sagte der

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