Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
Vom Netzwerk:
Zeit mir noch bleibt. Man sagt, ich sei schwer krank   … Und wenn schon! Man schreibt Pamphlete gegen mich und verfasst Spottlieder, baut Luftschlösser, ha!, alles nur Kindereien. Das Einzige, was zählt, ist, dass wir nicht die Kontrolle über die Zeit verlieren. Habt Ihr La Fontaines Gedicht von dem Milchweib und dem Milchtopf gelesen? Fouquet hat es mir vor einigen Tagen vorgetragen, um mich etwas zu zerstreuen. Darüber sollten meine Feinde nachdenken. Ihr habt den Text nicht zufällig dabei, Colbert? Mir sind die letzten Verse entfallen   …«
    Bei der Erwähnung der beiden Namen war Colbert kurz erstarrt, hatte sich jedoch gleich wieder gefangen. Seiner Stimme war jedenfalls nichts anzumerken, als er nach einigem Blättern in seinen Papieren in unverändertem Tonfall antwortete.
    »Zugegeben, die Verse sind ihm wirklich gut gelungen, Eure Eminenz: ›Wer liebt zu schweifen nicht im Blauen   / Und wer Luftschlösser nicht zu bauen?   / Picrocholus, Pyrrhus, das Milchweib – jeder fällt   / Der Narr dem Weisen gleichgestellt.‹ Wenn Eure Eminenz mir allerdings eine Bemerkung gestatten: Es ist bedauerlich, dass Monsieur Jean de La Fontainenicht den Anstand besitzt, seine Ironie auf die Stücke zu beschränken, die sein Gönner Nicolas Fouquet die Güte hat, Euch vorzutragen.«
    Mazarin hob fragend eine Augenbraue.
    »Ich habe hier zehn Blätter, Eure Eminenz, vollgekritzelt mit solch ordinären Spottversen, wie Ihr sie vorhin erwähntet. Darauf findet sich viel aus der geistreichen Feder von Monsieur de La Fontaine   …«
    Mazarin lächelte. »Aber Colbert, ich bitte Euch, setzt doch nicht so viele Eurer Spitzel auf derartige Albernheiten an! Was kann ein La Fontaine denn schon anrichten? Er hat Talent und inspiriert, mehr aber auch nicht. Glaubt Ihr wirklich, dass Nicolas Fouquet, Oberintendant der Finanzen Seiner Majestät, mit derartigen Spielchen seine Zeit vergeudet?«
    Mit gekränkter Miene schlug Colbert die Augen nieder und ordnete schweigend seine Papiere.
    »Kommen wir zum Wesentlichen, Colbert. Was haben Eure Nachforschungen bisher ergeben?«
    »Allem Anschein nach kann der Zufall ausgeschlossen werden, Eure Eminenz. Zumindest ist das meine Überzeugung. Aber ich habe mich natürlich gehütet, diesen Verdacht laut zu äußern. Der Pöbel mag keine Bücher, Eure Eminenz. Man glaubt felsenfest daran, dass die Anhäufung von so viel Papier Ursache des Brandes ist. Diese Annahme ist leicht zu vertreten, und unsere Freunde sind bestrebt, sie überall zu verbreiten, indem sie mit Nachdruck auf die Unzahl der zerstörten Folianten hinweisen.«
    Mazarin stöhnte auf.
    »…   Dante, Herodot, ein Teil der Kartensammlung, etliche Bände aus der Abteilung Medizin und Astrologie, die Schriften der Kirchenväter   …«
    Der Kardinal gebot ihm mit einer Hand Einhalt. Die Auflistung seiner Schätze schien ihn tief getroffen zu haben.Er warf sich hin und her und stammelte dabei unverständliche Worte auf Italienisch. Sicher betet er, sagte sich Colbert, weshalb er beschloss, mit äußerst behutsamen Worten fortzufahren.
    »Eure Eminenz, es tut mir leid, aber es gibt da etwas, das meines Erachtens nach noch viel schwerwiegender ist   …
    Der Minister nickte schweigend. Er schien sich etwas beruhigt zu haben.
    »Wie es scheint, war das Feuer nämlich nur ein Ablenkungsmanöver, mit dem ein Diebstahl vertuscht werden sollte. Der Brand war vorsätzlich gelegt. Und eine Eurer Wachen ist ermordet worden. Euer Privatsekretär, Monsieur Roze, ist zudem gefesselt und geknebelt worden und hat nur wie durch ein Wunder überlebt   …«
    Der Mund des Kranken zuckte. Gewiss aus Kummer, dachte Colbert erschrocken, so dass er schon überlegte, ob er weiterreden sollte, als er den Kardinal fragen hörte:
    »Wer war es, Colbert?«
    »Das weiß ich noch nicht, Eure Eminenz. Aber ich habe meine besten Männer auf die Sache angesetzt.« Der kleine Mann trat noch näher ans Bett und senkte seine Stimme. »Nichts liegt mir ferner, als Eure Exzellenz mit unangenehmen Dingen zu behelligen, doch wenn ich nun Nicolas Fouquet erwähne, geschieht das, weil einige besorgniserregende Dinge ihn indirekt betreffen.«
    Mazarins Stimme klang müde und dumpf. »Was soll das heißen? Kommt zur Sache, Colbert!«
    »Wir haben die Spur der Diebe im Theater des Palais-Royal verloren, das neuerdings von Monsieur Molières Truppe bespielt wird, die zwar den schönen Namen ›Theater von Monsieur, dem einzigen Bruder Seiner Majestät‹

Weitere Kostenlose Bücher