1661
und Jugend erzählt. Ich will nur das Beste für ihn. Aber abgesehen von den Gefahren, denen er ausgesetzt ist und die in jedem Falle für sein Fernbleiben von Paris sprechen, fürchte ich, dass die Manöver, die Monsieur Colbert mit dem undankbaren Molière veranstaltet, seine persönliche und professionelle Entwicklung auf das Schwerste belastet haben. Ich weiß noch nicht, was für eine abgekartete Sache es ist, dass sich für Gabriel de Pontbriand so viele hochgestellte Personen interessieren. Aber ich werde es herausbekommen. Bis dahin ist es besser, vorsichtig zu sein.« Sein Ton wurde dringlicher. »Das gilt auch für Euch, Mademoiselle. Es heißt, dass das Jahr 1661 gefährlich ist für diejenigen, die neu sind bei Hofe. Passt auf Euch auf«, sagte er nachdrücklich. »Es gibt Spiele, die viel ernster sind, als sie scheinen, und Schlangengruben, die man erst bemerkt, wenn man den Fuß schon hineingesetzt hat …«
Louise wusste den rätselhaften Satz nicht zu deuten und schaute ihn fragend an.
»Was soll das heißen, Monsieur?«
»Herr Oberintendant!«
Da sich plötzlich mehrere Gäste um ihn scharten, konnte Fouquet Louise nur noch mit einer vagen Geste bedeuten, dass er ihr die Antwort schuldig bleiben müsste. Mit einem unangenehmen Gefühl der Angst sah sie ihm nach, als er sich entfernte.
Warum hat er das gesagt?, fragte sie sich, wobei sie die feinen Augenbrauen runzelte, die ihre großen, blauen Augen säumten. Und was genau weiß er?
Sie hatte nicht die Zeit, eine Antwort auf ihre Fragen zu finden. Eine Hand, die sich auf ihren nackten Arm legte, ließ sie zum dritten Mal an diesem Abend aufschrecken.
»Meine Liebe, warum seid Ihr so nervös?«, fragte Olympia Mancini mit sanfter Stimme.
Louise verneigte sich und versuchte gleichzeitig, die Röte zu unterdrücken, die sich, wie sie spürte, auf ihren Wangen ausbreitete.
»Wovon träumt ein junges Mädchen?«, wollte Olympia wissen und nahm neben ihr Platz. »Unterhalten wir uns ein bisschen, wenn Ihr mögt. Ihr seid jung und neu in diesen Kreisen. Ich möchte zu Euch sprechen wie zu einer Freundin. Der Hof ist eine grausame und vor allem eine schwer zu begreifende Welt voller geheimer Zeichen und Sitten, die für Neuankömmlinge die reinsten Fallgruben darstellen. Da ist es gut, sich nicht schutzlos dieser Welt auszuliefern, zumal es so leicht ist, ein X für ein U zu halten … oder für einen charmanten Prinzen«, ließ sie in vermeintlich unbefangenem Ton einfließen.
Louises Argwohn war geweckt. Sie fühlte Olympias Blick auf ihrem Nacken, auf ihren Wangen. Sich nur nichts anmerken lassen, dachte sie.
»Die Leute sind wie die Jahreszeiten«, nahm Olympia ihreRede wieder auf, »wechselhaft und unberechenbar. Man sollte besser davon ausgehen, dass man keine Freunde hat, sofern es nicht Menschen sind, deren Interessen man teilt. Ich weiß, das muss Eurem kindlichen Herzen trist und zynisch erscheinen, doch es wäre gemein von mir, würde ich Euch nicht warnen.«
Louise spürte Olympias kalte Finger auf ihrem Handgelenk.
»Ich könnte Eure Freundin sein; ich muss Eure Freundin sein. Eine sehr zuverlässige, sehr treue und überaus nützliche Freundin. Eine Freundin, die Eure Geheimnisse zu bewahren und zu schützen weiß. Ob Ihr es glaubt oder nicht, sie interessieren mich nicht«, sagte sie in einem plötzlich schroffen Ton.
Schweigend vernahm Louise, wie die Worte auf sie einströmten. Ihr Unbehagen wuchs. Sie holte tief Luft, wandte sich zu Olympia um und sah ihr ins Gesicht.
»Das ist eine kostbare Freundschaft«, antwortete sie mit Bedacht, wobei sie sich Mühe gab, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Doch ich fürchte, ich verfüge nicht über die nötigen Mittel, als dass ich sie mir leisten könnte.«
Olympia zögerte einen Moment, bevor sie antwortete.
»Seid nicht töricht. Was mich interessiert, ist das, was Ihr seht, was Ihr hört, sonst nichts. Ihr erzählt es mir, das ist alles.«
»Geheimnisse sind wie Parfüms«, sagte Louise und löste ihre Hand aus Olympias Griff. »Sie verflüchtigen sich, wenn man sie nicht verschlossen hält …«
»Genau!«, erwiderte Olympia mit einem beinah drohenden Unterton in der Stimme, aus dem die Furcht herauszuhören war, ihre Beute könnte ihr entkommen.
»… und daher kann ich Eure Frage nicht alleine beantworten. Erlaubt Ihr, dass ich Euren Vorschlag Seiner Majestät unterbreite?«, stieß Louise hervor, und als wäre sie über ihreeigene Kühnheit erschrocken,
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