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hatte unterhalten können.
»Ich frage mich, was Olympia Mancini von der jungen La Vallière wollte.«
Man hätte meinen können, dass François d’Orbay, von dem diese Worte kamen, Fouquets Gedanken zu lesen vermochte.
»Zweifellos nichts Gutes«, antwortete La Fontaine. »Die arme Kleine sah aus, als fühlte sie sich in die Zange genommen, als die andere sie am Arm hielt.«
Der Oberintendant hatte die Augen geschlossen und schien nicht mehr zu hören, was um ihn herum gesprochen wurde. Plötzlich richtete er sich auf und ergriff erneut das Wort.
»Ich muss für ein paar Tage nach London reisen, um finanzielle Angelegenheiten von größter Wichtigkeit zu regeln. Während meiner Abwesenheit zähle ich auf Euch. Mein lieber Jean, Ihr müsst Le Brun schelten, weil er die zugesagten Tapisserien noch nicht geliefert hat und so einen wesentlichen Teilder Innenausstattung des Schlosses verzögert. Was Euch angeht, d’Orbay, so übertrage ich Euch die Aufsicht über die Bauarbeiten in den Gärten: Ich habe den Eindruck, dass das Fluten der Wasserbecken sich hinausschiebt. Verdammt, wir haben jetzt April, da kann der Raureif doch nicht mehr als Entschuldigung gelten! Und achtet darauf, dass die Bäume und Pflanzen, die ich Euch gezeigt habe, in die Erde kommen, damit sie im Sommer ihre volle Pracht entfalten«, erklärte Fouquet und tauschte mit seinem Architekten einen komplizenhaften Blick aus.
Als er von der anstehenden Abreise des Oberintendanten erfuhr, begann in François d’Orbays Kopf eine Idee zu reifen.
»Seid unbesorgt, ich werde mich persönlich darum kümmern. Ich werde die Anzahl der Arbeiter verdoppeln und jeden anspornen, damit die Verzögerung, die sich im vergangenen Winter ergeben hat, aufgeholt wird«, sagte der Architekt. »Ich war noch gestern auf der Baustelle und verbürge mich für ein rasches Fortschreiten der Arbeiten. Was mich in Vaux beunruhigt, ist eine andere Sache, wenn Ihr erlaubt.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte der Oberintendant und runzelte die Stirn.
»Ich spreche vom jungen Gabriel, den Ihr unter Eure Protektion gestellt habt. Ich habe den Eindruck, dass ihn die Schwermut ergreift.«
»Seid Ihr sicher?«, erwiderte Fouquet, der sofort begriff, dass d’Orbay ihm etwas mitteilen wollte, ohne dass La Fontaine eingeweiht wurde. »Was ist mit ihm?«
»Es ist zweifellos Molières Verrat, der ihm seinen Traum zerstört hat, ein Provinzschauspieler zu werden. Zudem macht es ihn wohl traurig, dass er so weit von Paris weg ist. So ist es nun mal, Euer Gnaden, in seinem Alter verlieren die Freuden des Landlebens schnell ihren Reiz! Ein Ortswechsel täte ihmsicher gut«, meinte der Architekt abschließend. Sein Blick war plötzlich viel lebhafter geworden.
»Und wenn Ihr ihn mit nach London nähmt?«, schlug La Fontaine Fouquet vor.
Das war genau der Vorschlag, den der Baumeister sich erhofft hatte. Ihm stand schon die Freude vor Augen, die André de Pontbriand überkommen würde, wenn er seinen Sohn wiedersähe.
»Eine exzellente Idee!«, sagte der Oberintendant und brach in Lachen aus, so glücklich war er über den geschickten Schachzug d’Orbays. »Ich nehme das junge Täubchen also nach London mit. Allerdings kann ich Euch nicht garantieren, dass ihm die Nebel der Themse sein Lächeln zurückgeben!«
Palais du Louvre, Colberts Kabinett
Freitag, 15. April, sechs Uhr abends
Mit düsterer Miene, die Hände auf dem Rücken verschränkt, ging Colbert schon fast zwanzig Minuten ununterbrochen in seinem Kabinett auf und ab, wobei er mechanisch dem Zierstreifen des großen Gobelinteppichs folgte, der auf dem Boden vor seinem Schreibtisch lag. Links und rechts davon saßen in zwei blauen Lehnsesseln der Bruder des Königs, der Herzog von Orléans, und Olympia Mancini, die beide ebenso besorgt erschienen. Insbesondere der Herzog von Orléans knetete mit seinen beringten Fingern nervös die grünen Bänder, die seine Weste aus weißer Seide schmückten.
»Trotz allem«, fuhr er mit seiner Fistelstimme in einem klagenden Ton fort, »trotz allem hätte ich heute, da ich extra darauf verzichtet habe, mit meinem Bruder auf die Jagd zu gehen, andere Neuigkeiten erwartet – Neuigkeiten, die stärker unseren Erwartungen entsprechen …«
»Es gefällt mir, dass Ihr von ›unseren Erwartungen‹ sprecht, Hoheit«, fiel Colbert ihm ins Wort, ging dabei aber weiter auf und ab und atmete tief durch, damit man ihm seine Gereiztheit nicht anmerkte. »Zunächst einmal, weil diese
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