1661
Paul de Gondi nach Frankreich und die Aussicht auf eine Unterredung mit ihm munterten Colbert auf, der darauf bedacht war, bei seiner Suche nach Unterstützung niemanden außer Acht zu lassen.
Als der Tod seines Feindes Mazarin bekannt geworden war, hatte der frühere Frondeur sofort seine Abreise nach Paris vorbereitet. Noch aus dem Exil in Rom hatte er um die Gastfreundschaft von Pater de La Chaise gebeten, fürchtete er doch, in Frankreich verhaftet zu werden. In dessen Privatgemächern erwartete Kardinal de Retz nun seinen Besucher. Colbert stellte sich vor, wie der Erzbischof wehmütig aus dem Fenster auf die Stadt blickte, der er so lange hatte fernbleiben müssen.
»Die Frühlingssonne schien heute Nachmittag auf Paris, Eure Eminenz, doch ist die Sonne Frankreichs wohl kaum mit der in Italien zu vergleichen«, sagte Colbert mit einem Hauch von Ironie, als er den Raum betrat.
Vom Klang der Stimme aus seinen Träumereien gerissen, drehte Paul de Gondi sich langsam um.
»Der Winter ist zu Ende, Monsieur Colbert, und die Sonne scheint nun für jedermann«, antwortete der Erzbischof, nicht unzufrieden, dass sie mühelos miteinander ins Gespräch kamen.
Nach den üblichen Höflichkeitsfloskeln nahmen die Männer in den einzigen beiden Sesseln Platz, die sich in dem bescheidenen Raum des Superiors gegenüberstanden.
»Mein lieber Colbert, ich werde ohne Umschweife auf den Grund meines Besuchs in Frankreich zu sprechen kommen. Mit Mazarins Tod beginnt ein neues Zeitalter für das Königreich. Die Zeit ist gekommen, so scheint mir, die Vergangenheit ad acta zu legen«, sagte der Erzbischof mit fester Stimme. »Zahlreich sind diejenigen, die meine Rückkehr nach Paris fordern und mich bitten, endlich meinen erzbischöflichen Sitz einzunehmen!«
Hier ist ein Bursche, dem es an Selbstbewusstsein nicht mangelt, sagte sich Colbert, wobei er sich anstrengte, so zu tun, als hinge er an den Lippen des Kardinals.
»Ich möchte annehmen, dass der Bann, der mir die Rückkehr in mein teures Vaterland verwehrt, auf einem Missverständnis zwischen dem König und Seiner Heiligkeit beruht«, fuhr der Erzbischof mit immer sichererer Stimme fort. »Was mich angeht, so war ich Seiner Majestät immer treu ergeben. Aus diesem Grund habe ich übrigens die mehr als schändlichen finanziellen Machenschaften des Kardinals bekämpft. Heute lastet das Exil schwer auf mir. Mein größter Wunsch wäre es, endgültig nach Paris zurückkehren zu können. Da ich den Preis für mein Gesuch kenne, bin ich bereit, dem König mehr als einen Beweis meiner guten Absichten zu liefern.«
Das ist es also, sagte sich Colbert und nickte, um den Erzbischof zum Weiterreden zu ermuntern.
»Mit einem Wort, Monsieur Colbert, ich bin fest entschlossen, für Seine Majestät auf mein Amt als Erzbischof von Paris zu verzichten …«
Na schön, dachte Colbert, blieb aber stumm, um Paul de Gondi Gelegenheit zu geben, seine weiteren Absichten zu enthüllen.
»Selbstverständlich«, fuhr der alte Frondeur fort, »müsste der König mir als Zeichen seines erneuten Vertrauens die Garantien geben, die ein alter Mann im Exil sich erhofft, wenn er von seiner Freiheit Gebrauch machen möchte, zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebt.«
»Ich verstehe, Eure Eminenz«, sagte Colbert nüchtern. »Aber spracht Ihr nicht von mehr als einem Beweis?«
Überrascht von der kühlen Reaktion, dachte Paul de Gondi einen Augenblick nach, bevor er weitersprach.
»Auch meine Freunde, deren Einfluss auf das Königreich Ihr kennt, wären Euch verpflichtet.«
Das ist schon interessanter, sagte sich Colbert, der die Anspielung auf die Devoten und ihre unerschütterliche Unterstützung von Fouquet und seiner Familie in der Vergangenheit sehr wohl verstanden hatte.
»Und was noch?«, fragte der kleine Mann. Er war begierig, seinen Vorteil auszukosten.
»Monsieur Colbert, Ihr seid auf der Suche nach Schriftstücken, die aus dem Palais des Kardinals gestohlen wurden. Diese Papiere sind nicht mehr in den Händen derer, die ihr Verschwinden verursacht haben.«
Colbert fuhr zusammen. Der Teufel von einem Erzbischof, dachte er, erstaunt über die Enthüllungen. Das erklärt, warum er hier untergekrochen ist.
»Was Ihr aber bestimmt nicht wisst, ist der Inhalt der verschwundenen Papiere. Ich habe dazu eine Hypothese, die ich für sehr glaubhaft halte.«
»Ich bin ganz Ohr, Eure Eminenz«, erwiderte Colbert in plötzlich amüsiertem Tonfall.
»Im Gefängnis von Nantes, in das
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