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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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alte Mann. Seine Stimme hatte den milden, zärtlichen Tonfall jener Zeit angenommen, als er den jungen Thronerben immer besänftigen musste, wenn dieser wieder einmal einen seiner Wutausbrüche hatte. »Ich flehe Euch an, beruhigt Euch, Eure Majestät, es gibt jetzt Wichtigeres. Hört mir bitte zu: Niemand, hört Ihr, Sire,
niemand
darf erfahren, dass bei mir eingebrochen wurde, vor allem nicht, dass mir diese äußerst wichtigen Papiere entwendet wurden.«
    Der Kardinal hatte sich etwas aufgerichtet. Daran gewöhnt, die geheimsten Gedanken seines Gegenübers ergründen zu können, sah er den König von Frankreich durchdringend an, der vor seinem Krankenlager stehen geblieben war. Im selben Augenblick wurde neben dem Bett des Kardinals behutsam ein Wandteppich gehoben, und Anna von Österreich kam herein.
    »Mein Sohn, ich freue mich, Euch zu sehen«, sagte sie und deutete eine Verbeugung an.
    »Mutter! Ihr hier?«
    Überrascht blickte Ludwig XIV. die Königinmutter an, die ein schlichtes schwarzes Kleid und ein schimmerndes Perlenhalsband trug, das sich deutlich von ihrem blassen Teint abhob. Sie war seit achtzehn Jahren Witwe. Die harten Prüfungen, die sie hatte überstehen müssen, um ihrem Sohn die Macht zu sichern, hatten in ihrem Gesicht deutliche Spuren hinterlassen. Der Blick, den sie Jules Mazarin nun zuwarf, war voller Mitgefühl und Zärtlichkeit. Ludwig wurde etwas ruhiger angesichts der beiden Menschen, die er am meisten liebte. Gemeinsam hatten sie so viele Schwierigkeiten gemeistert; solange sie vereint waren, konnte nichts Schlimmes passieren.
    »Wir müssen eine Entscheidung treffen, die schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann, mein Sohn.«
    Ludwig horchte auf. Er ergriff Mazarins Hand.
    »Verehrter Pate, das hört sich alles sehr dramatisch an. Ich bin Euer Souverän, dem Ihr zu sagen habt, was in diesen verschwundenen Dokumenten steht. Habt Ihr eine Ahnung, wer diese Wahnsinnstat begangen haben kann und warum?«
    Der betagte Kirchenfürst schloss die Augen und atmete tief durch, bevor er mit schwacher Stimme zu Sprechen anhob.
    »Eure Majestät hat das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Ihr wisst sehr wohl, dass ich mich mein Leben lang darum bemüht habe, die Monarchie zu schützen und meinem König eine ungetrübte Zukunft in einem befriedeten Land zu sichern. Doch fehlt es nicht an Feinden, und ich fürchte, dass sie zweifellos meine Mattigkeit ausnutzen und gerade seltsame Bündnisse schließen. Der Tod steht vor meinem Schlafgemach. Mein nahendes Ende hat die Mächte des Bösen entfesselt. Mir ist zugetragen worden, dass bereits alle Schaltstellen der Macht mit unseren Widersachern durchsetzt sind, selbst in diesem Palast.« Der Kardinal stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich bewahrte in meinem Privatkabinett zahlreiche Papiere auf, die der Regelung meiner Nachfolge dienlich sind undden Ursprung meines Vermögens belegen. Auch hatte ich dort einige alte Pergamente unter Verschluss gehalten, die bedeutsame Geheimnisse bergen. Wie mir Colbert berichtet hat, haben die Schurken aus meinen Gemächern keine anderen Wertgegenstände entwendet, woraus ich schließe, dass sie sich einzig und allein dieser Unterlagen bemächtigen wollten.«
    Der Kranke hielt wieder einen Augenblick inne, um neue Kraft zu schöpfen, während die Königinmutter ihm fürsorglich die Stirn abtupfte. Er lächelte sie dankbar an, bevor er fortfuhr.
    »Toussaint Roze ist der Ansicht, dass es religiöse Fanatiker waren. Er hat gehört, wie derjenige, der den Wachsoldaten erstochen hat, dem Allmächtigen dankte, dass er ihm die Hand geführt habe. Man stelle sich das vor! Mein armer alter Sekretär muss wie Espenlaub gezittert haben.«
    »Wenn dem so ist, mein verehrter Kardinal, müssen wir Euch besser schützen. Es ist nicht auszuschließen, dass Ihr selbst das Ziel dieser Wahnsinnstat wart. Wie auch immer, Ihr könnt jedenfalls nicht in Euer Palais zurückkehren. Der Brand hat Eure Räumlichkeiten unbewohnbar gemacht. Ihr bleibt hier, und ich lasse die Wachen verstärken.«
    »Ich bin mir nicht sicher, Ludwig, dass damit alles gelöst ist«, flüsterte die Königinmutter. Sie zog ihren Sohn von Mazarins Bett weg, der, am Ende seiner Kräfte, anscheinend wieder vom Schlaf übermannt worden war. »Wie Colbert sagt, befinden sich unsere Feinde sogar schon hier im Louvre. Daher glaube ich, dass der Kardinal in unserem Schloss in Vincennes besser aufgehoben ist. Zumal sich dort, wie Ihr ja wisst, auch meine Gemächer befinden.

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