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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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dessen Erwartungen erfüllen zu können. Würdest du denn zu einem Schuhmacher gehen, der die Maße deines Fußes nicht kennt?«
    Belustigt schüttelte Gabriel den Kopf. Halb verborgen hintereiner Säule, lehnten die beiden jungen Leute an der Brüstung der Galerie, die sich über der großen Empfangshalle entlangzog, und beobachteten den Zug der Gäste, die nach der Hochzeitsmesse aus der Privatkapelle des Kardinals in die Empfangssäle strömten.
    »Um wie viel Uhr soll eigentlich die Aufführung beginnen?«, wisperte Gabriel plötzlich mit ernster Miene.
    »Immer mit der Ruhe, Gabriel«, entgegnete Julie. »Wir haben genug Zeit   … Es sei denn, Monsieur Molière sucht dich«, fügte sie im Scherz hinzu.
    »Du hast recht. Ich gehe besser mal nachsehen, ob er mich braucht«, flüsterte Gabriel zurück und eilte zur Treppe, die ins Erdgeschoss führte, ohne dass die verdutzte Julie ihn hätte zurückhalten können.
     
    Unten im Empfangssaal kam Gabriel die Stimmung noch beeindruckender vor. Alles wirkte auf ihn höchst glanzvoll, bis hin zu den Livreen der Lakaien, die zwischen den Gästen hin und her liefen und Erfrischungen servierten. Mitten unter den zahlreichen Roben und festlichen Gewändern entdeckte Gabriel plötzlich das Brautpaar. Hocherhobenen Hauptes stand Hortensia Mancini, die ein prachtvolles Kleid aus Purpur und Gold trug, welches die jugendliche Schönheit ihrer fünfzehn Jahre noch unterstrich, neben dem Marquis de La Meilleraye, Armand Charles de La Porte, der seit einer Stunde ihr Ehemann war.
    »Heute Vormittag haben sie vor dem Kardinal den Ehevertrag unterschrieben«, hatte Julie mit glühenden Worten erklärt. »Der Marquis hat das Wappen und den Titel Herzog und Pair von Mazarin angenommen, um die Ahnenreihe des Kardinals zu sichern. Mazarin hat ihnen über eine Million Livre geschenkt und ihnen nach seinem Tod seine Antikensammlungsowie die Hälfte seines Palais zugedacht. Es wird gemunkelt, dass Mazarin sie zu seiner Universalerbin bestimmt hat.« Gabriels Schweigen hatte Julies Begeisterung nicht abkühlen können. »Man stelle sich das mal vor: Der Kardinal hat den Sohn des Marschalls und Herzogs von La Meilleraye dem Herzog von Savoyen und sogar Karl II. von England vorgezogen! Dabei ist der Bräutigam fast doppelt so alt wie sie. Und weißt du, warum? Weil er der Großneffe von Kardinal Richelieu ist! Durch diese Heirat vereint Mazarin die beiden Familien für alle Zeiten.«
    Hinter dem Gatten stand Maria, eine von Hortensias Schwestern. Sie wirkte sichtlich ergriffen, vielleicht, weil ihre eigene Hochzeit nur wenige Wochen später anstand. »Schau nur, wie traurig sie aussieht«, hatte Julie wenige Minuten vorher Gabriel mitfühlend zugeflüstert. »Es heißt, sie trauere dem König nach, den sie unendlich geliebt hat und von dem sie ebenfalls sehr geliebt worden war, der sie sogar heiraten wollte. Doch Mazarin und die Königinmutter waren dagegen   … Und nun muss sie in Italien einen Mann heiraten, den sie nicht einmal kennt: Lorenzo Onofrio Fürst Colonna, den Großkonnetabel von Neapel.«
    Gabriel warf einen suchenden Blick zum Eingang, wo ihm jedoch eine beträchtliche Anzahl Gardesoldaten die Sicht versperrte. Die lebhaften Unterhaltungen der Gäste übertönten die Musik des Kammerorchesters, das von einem kleinen, nervösen Mann dirigiert wurde, einem vielversprechenden italienischen Komponisten namens Jean-Baptiste Lully, wie Julie ihm erzählt hatte.
    »Gabriel!«
    Der junge Mann zuckte zusammen, strahlte aber gleich darauf über das ganze Gesicht, als er seine Freundin erkannte.
    »Louise!«
    »Sagt nicht, dass Ihr mich gesucht habt.«
    Gabriel fühlte sich ertappt, versuchte sich jedoch herauszureden.
    »Ehrlich gesagt, nein, ich suche Molière. Aber er ist wahrscheinlich schon im großen Saal, um die letzten Vorbereitungen für die Komödie zu treffen, mit deren Aufführung die Gäste während des Abendessens unterhalten werden sollen. Ich muss zu ihm   …«
    Louise hielt ihn jedoch am Ärmel fest.
    »Ich bin froh, Euch hier zu sehen, Gabriel. Ich muss Euch unbedingt etwas erzählen. Stellt Euch vor, der König hat mich angesprochen! Ja, so wie Ihr mich vor Euch stehen seht! Der König von Frankreich hat das Wort an mich, Louise de La Vallière, gerichtet!«
    »Ach, Kind   …«
    Zärtlich strich Gabriel der jungen Frau eine blonde Locke aus dem Gesicht, als ihm plötzlich bewusst wurde, wie ungehörig die vertrauliche Geste in dieser Umgebung war, weshalb er mit

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