1661
Armlehne seines Sessels fest. Colbert half ihm, sich hinzusetzen. Dann beugte er sich über den Ersten Minister, der mit Schweißperlen auf der Stirn und pfeifendem Atem nach Luft rang.
»Seid unbesorgt, mein Verstand ist nie klarer, als wenn ich ihn für Eure Eminenz gebrauche«, erklärte er mit einschmeichelnder Stimme. »Ihr werdet sehen, dass sich dieses schreckliche Bild in eine strahlende Landschaft verwandeln kann, so wie man im italienischen Theater das Bühnenbild wechselt.« Colbert beugte sich noch weiter über den Kardinal. »Zunächst scheint es in der Tat zwei Schwachstellen zu geben: Ihr verliert Euer Vermögen, und es könnte immer noch zu einem Prozess kommen, auch wenn der gegen jemanden anderes angestrengt würde. Was also tun, um diese beiden Schwachstellen zu beseitigen? Nun, man muss dafür sorgen, dass der Empfänger der Schenkung einerseits nicht angeklagt und andererseits nicht gezwungen werden kann, Euch Euer Vermögen zurückzugeben. Das ist einleuchtend, oder?« Colberts Augen strahlten nunmehr in einem merkwürdigen Glanz. »Und wem kann man keinen Prozess machen? … Nun?… Seiner Majestät natürlich! Und wer darf von seinen Untertanen keine Schenkung annehmen, selbst wenn der Schenkende sein Pate und Erster Minister ist? Der König!«
Colbert richtete sich auf und ging um den Schreibtisch herum, wo er seine beiden Hände auf der Tischplatte aufstützte und den Kardinal durchdringend ansah.
»Schenkt all Eure Besitztümer dem König. Da er sie nicht behalten darf, wird er sie Euch zurückgeben. Und damit ist das Vermögen nicht mehr Eures: Es ist durch seine Hände gegangen und damit unanfechtbar geworden.«
Nur Mazarins keuchender Atem durchbrach die Stille, die nun den Raum erfüllte. Triumphierend sah Colbert, wie sichsein glücklicher Einfall im Kopf des alten Mannes festsetzte, der sich nun seufzend vorbeugte und seine Hand auf die Colberts legte.
»Mein lieber Colbert …«, sagte er nur und sah seinerseits Colbert fest in die Augen. »Seid Ihr Euch ganz sicher, dass er es zurückweisen wird? Die Staatskassen sind leer …«
»Wie ich gehört habe, hat Monsieur Fouquet vor zwei Tagen erst einen neuen Kredit aufgenommen. Und selbst wenn … Ist der König nicht weitaus stolzer als von der Geldgier besessen? Ludwig XIV. will regieren, Eure Eminenz, und das hat seinen Preis.«
Auch wenn Mazarin über die Kühnheit dieser Worte staunte, sah man ihm doch an, dass er noch Zweifel hatte.
»Also gut, macht, was Ihr für richtig haltet«, stimmte er schließlich zu. »Ich verlasse mich auf Euch, Monsieur Colbert. Setzt mit Roze einen solchen Testamentszusatz auf. Ich werde ihn unterschreiben, sobald meine Hand etwas ausgeruht ist.«
Colbert verbeugte sich und war schon im Begriff hinauszugehen, als der Kardinal ihn noch einmal zurückrief.
»Nein, Colbert, setzt es selbst auf. Niemand darf davon wissen; nur die Königinmutter. Sie wird mit ihrem Sohn sprechen.«
»Ganz wie Eure Eminenz wünschen«, erwiderte Colbert mit übertriebenem Ernst und verbeugte sich noch einmal mit einem glücklichen Lächeln.
»Anschließend sollten wir über die beiden Hochzeitsverträge für meine Nichten Hortensia und Maria sprechen. Mein Gott«, murmelte er, »wie schwierig das alles ist, mein Gott …«
Das Geräusch der sich schließenden Tür sagte ihm, dass Colbert sich diskret entfernt hatte.
Palais Mazarin
Montag, 28. Februar, gegen fünf Uhr nachmittags
»Und wer ist das dort drüben?«
Julie beugte sich zu Gabriel.
»Das ist der Prinz von Condé«, flüsterte sie und zeigte dann unauffällig mit dem Finger auf zwei Frauen, »und das daneben, das ist Anna Gonzaga, die Pfalzgräfin bei Rhein, die sich immer noch nicht wieder beruhigt hat, seitdem Olympia Mancini gegen sie intrigiert, um an ihrer Stelle Oberhofmeisterin der Königin zu werden. Sieh nur, wie erbost sie dreinblickt! Die, mit der sie gerade tuschelt, das ist Luisa Gonzaga, die Gattin des polnischen Königs und eine alte Freundin des Marquis de Cinq-Mars. Oh, und schau, hinter ihr geht der Herzog von Vendôme. Und daneben, das ist Madame de Chevreuse. Es ist wirklich zu komisch, alle alten Anhänger der Fronde hier zu Gast im Palais des Kardinals zu sehen, gegen den sie sich einst aufgelehnt haben.«
»Und woher weißt du das alles?«, fragte der junge Mann und machte große Augen.
»Bei Gott, Gabriel, du musst noch viel lernen. Wir spielen für den Hof! Ein Schauspieler muss sein Publikum kennen, um
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