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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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durch den Saal, vorbei an Colbert, der kurz zuvor an der Tür zu den Privatgemächern des Kardinals erschienen war und ihnen nun mit nach außen hin gleichgültiger Miene nachsah. Dann richtete Mazarins Vertrauter seinen Blick auf die beiden Gestalten, die im Schatten eines Pfeilers miteinander tuschelten.
    »Schon wieder diese de La Vallière und dieser Gabriel, und diesmal sogar mit Fouquet zusammen. Dieses Pack   … Aber bald werde ich wissen, woran ich bin«, zischte er grimmig. »Gehen wir«, sagte er laut zum Haushofmeister, der neben ihm stand, »es wird Zeit, die Gäste zu Tisch zu bitten. Ich werde dem Kardinal Bescheid geben. Und Ihr, Ihr lasst Spanferkel in den Saal bringen. Und die Schauspieler sollen sich auch bereithalten.«
    »Ich muss zu Molière«, flüsterte Gabriel und sah Louise besorgt an, »seid Ihr sicher, dass es Euch besser geht?«
    »Geht nur, mein Freund«, ermunterte ihn Louise mit einem zaghaften Lächeln, das kaum ihr blasses Gesicht erhellte. »Ich fahre nach Hause und ruhe mich aus. Ich lasse bald von mir hören.«
    Widerstrebend machte sich der junge Mann auf den Weg zum Speisesaal, durch dessen geöffnete Türen man nun lange, mit Gold- und Silbergeschirr gedeckte Tische sehen konnte, zwischen denen hohe Kandelaber standen, deren Lichtschein mit dem der zwölf großen Kristalllüster verschmolz, die von der Decke herabhingen. Um jeden Tisch liefen Lakaien herum, die unzählige Silbertabletts trugen, auf denen sich Wild und verschiedene Fleisch- und Fischsorten türmten. Reglos betrachtete Louise die Gäste, die zum Essen in den Speisesaalströmten. Die rätselhafte Nachricht schien in ihrer Hand zu brennen. Der König lädt mich in sein Jagdpavillon nach Versailles ein, dachte sie, und wieder begann sich alles in ihrem Kopf zu drehen. Und es sei unser »Geheimnis«, schreibt er. Sie lächelte, ohne es zu merken. Ich habe ein Geheimnis mit Seiner Majestät! Erschrocken über ihre Gedanken, eilte sie zum Ausgang.

Schloss von Vincennes
    Dienstag, 1.   März, um die Mittagszeit
    »Wie traurig, seht Euch das nur an. Er erinnert mich an Mascarille aus Molières ›Die lächerlichen Preziösen‹.«
    »Sein Auftritt ist lächerlich, geradezu erbärmlich«, entgegnete der Höfling leise, während er sich voller Ehrerbietung verbeugte, da die Sänfte des Kardinals passierte.
    Gegen elf Uhr hatte der Kardinal befohlen, gepudert und frisiert zu werden, um sich »dem Volk« zu zeigen. Mit einiger Anstrengung war es Mazarins ergebenen Dienern gelungen, den Todkranken aus dem Bett zu heben und anzuziehen. Um seine fahle Gesichtsfarbe zu verbergen, hatten sie seine Wangen mit viel Rouge geschminkt. Der Kardinal hatte sogar darauf bestanden, dass man sein weißes Haar in Locken legte. In dieser Aufmachung ließ sich der mächtigste Mann Frankreichs in seiner Sänfte nun schon seit einer Stunde kreuz und quer durch den Schlossgarten von Vincennes tragen, wodurch die zahlreichen Besucher und Bittsteller gezwungen waren, sich immer wieder tief zu verbeugen, wenn er vorbeikam. Der kranke alte Mann schimpfte dabei unentwegt auf die »Teufel von unfähigen, dummen Trägern« und drohte ihnen mit dem Galgen, denn bei jedem Stoß litt er Höllenqualen. Jules Mazarin begriff nicht, welch groteskes Schauspiel er bot. Er glaubte wirklich, die Höflinge täuschen zu können, wenn er sich winkend auf den sonnigen Alleen zeigte.
    »Vor zehn Jahren«, sagte der Kardinal laut zu sich selbst und entnahm einer kleinen vergoldeten Dose eine wohlriechende Pastille, die er sich in den Mund steckte, um seinen unerträglich gewordenen Atem zu bekämpfen, »vor zehn Jahren wurde ich von denselben Leuten aus dem Königreich vertrieben, die sich jetzt hier vor mir verneigen. Der Italiener wird euch beweisen, wie lebendig er noch ist!«
    Erschöpft dämmerte er kurz darauf ein. Im Traum durchlebte er noch einmal die schrecklichen Tage vom Februar 1651.   Jener tragische Monat vor zehn Jahren hatte mit Nicolas Fouquets Hochzeit begonnen, der nach Jahren des Witwertums die schöne, kaum fünfzehnjährige Marie-Madeleine de Castille-Villemareuil ehelichte. Am selben 4.   Februar diskutierte der Oberste Gerichtshof von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends heftig über Mazarins Landesverweis. Im Halbschlaf hörte der Kardinal erneut die Schritte derjenigen, die man in der Nacht zum 9.   Februar in den Louvre lassen musste. Das einfache Volk von Paris war damals am Bett des kleinen Ludwig XIV. vorbeigezogen, um sich zu

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