1661
gab den längs der Wände postierten Gardesoldaten einen Wink. Als die Menge begriff, dass sie von den Soldaten auseinandergetrieben wurde, um drei junge Damen durchzulassen, die bis dahin vergeblich versucht hatten, den Raum zu betreten, verdoppelten sich die Protestschreie.
»Mit welchem Recht werden sie vorgelassen und wir nicht?«, empörte sich der Geistliche, der gekommen war, weil er sich eine gute Pfründe erhoffte.
»Dem Recht des Blutes«, bemerkte Olympia Mancini voller Verachtung und schlug die Kapuze ihres Capes zurück, so dass ihr Haar und ihre schwarzen Augen sichtbar wurden.
Für einen Moment hörten die Höflinge, die gekommen waren, ein paar Brosamen von der Erbschaft des Ersten Ministers zu ergattern, auf zu jammern und sahen resigniert zu, wie die drei Nichten des Kardinals hoheitsvoll an ihnen vorbeischritten und sich kurz darauf die Tür zu Mazarins Gemächern hinter ihnen schloss.
»Hortensia … Olympia … Maria …«
Mit tränenfeuchten Augen streckte der Kardinal seinen Nichten die zitternden Hände entgegen. Schweigend knieten sich die drei jungen Frauen an sein Bett, so dass der alte Mann mit dem Daumen ein Kreuz auf ihre Stirn zeichnen konnte. Dann streichelte er ihnen übers Haar und hob das Kinn einer jeden an, um zum letzten Mal, wie er sich beklagte, in die geliebten Augen zu schauen.
»Maria«, begann er mit weinerlicher Stimme, »ich hätte so gern noch Eure Hochzeit erlebt, um Euch in den sicheren Händen des würdigen Fürsten Colonna zu wissen. Ach, meine Engel, wie schwer ist es doch, die zu verlassen, die man liebt … Denkt von Zeit zu Zeit an euren alten Onkel zurück … Ich wollte für die Meinen immer nur das Beste … Ihr sagt ja gar nichts …«, wunderte sich der Sterbende.
Olympias Stimme war fast ein Flüstern.
»Es ist der tiefe Kummer, lieber Onkel, der unsere Lippen versiegelt …«
Mazarin wandte schnell die Augen ab und unterdrückte ein Schluchzen.
»… und auch die Angst vor der Zukunft. Wer wird uns beschützen, wer wird für uns und unsere Familien da sein, wenn Ihr uns verlasst? Wer wird für die Zukunft unserer Kinder, Eures Blutes, sorgen? Ihr seid immer so gut zu uns gewesen, Onkel, so großzügig …«
Colbert, der sich im Hintergrund hielt, presste die Lippen zusammen. Die Pest über diese verdammte Familie!, zischte er erbost durch die Zähne.
Im Vorzimmer schwoll der Lärm plötzlich auf das Doppelte an.
»Diese Leute haben vor nichts Respekt«, rief Colbert laut. Begeistert ergriff er die Gelegenheit, seine angestaute Wut über die draußen wartenden Bittsteller zu entladen und so die Machenschaften der ältesten Nichte zu unterbinden.
»Was ist da los, Colbert?«, fragte Mazarin mit schwacher Stimme und blickte seinen Vertrauten mit müden Augen an.
»Das sind sicher ein paar Höflinge, die ungeduldig darauf warten, Eurer Eminenz ihre Ergebenheit zeigen zu können«, antwortete Colbert mit verdecktem Spott und begab sich zur Tür.
Mazarin blickte böse.
»Sie sollten besser … in der Kirche … für mein Seelenheil beten … statt hierherzukommen«, sagt er mit röchelnder Stimme. Dann wandte er sich wieder seinen Nichten zu. »Und ihr, meine Kinder, geht nun ohne Furcht. Ich habe dafür gesorgt, dass nichts eure Zukunft gefährden kann. Colbert ist mein Zeuge.«
Colbert, der die Hand schon auf der Türklinke hatte, drehte sich noch einmal um und lächelte beipflichtend. Olympias Nasenflügel bebten, aber es gelang ihr, ihre Wut zu zügeln.
»Geht und vergesst mich nicht«, flüsterte Mazarin noch.
Mit einem Lächeln auf den Lippen betrat Colbert eine halbe Stunde später wieder das Schlafgemach des Kardinals.
»Jetzt wird Euch niemand mehr behelligen, Eure Eminenz, ich habe alle lästigen Besucher hinauskomplimentiert und sie aufgefordert, für Eure Genesung zu beten. Ich habe ihnen erklärt, dass ihr lobenswerter Wunsch, Euch ihre Treue zu bekunden, Eure Eminenz nur ermüdet und Eure Heilung verzögert.«
Mazarin tat Colberts Worte mit einer Handbewegung ab, wohl wissend, dass sie nur ein Wunschtraum waren.
»Colbert, ich bitte Euch, macht mir nichts vor, nicht Ihr!«, brummte Mazarin. »Und es war niemand dabei, der es wert wäre, von mir empfangen zu werden?«
Colbert schüttelte den Kopf.
Wie von einer plötzlichen Eingebung gepackt, richtete Mazarin sich in seinem Bett auf, die Hände zitternd und bleich auf der purpurfarbenen Bettdecke.
»Und die Abtei von Prône,
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