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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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sechs Folterqualen erleiden, und zwar dreimalhintereinander«, verkündete der oberste Peiniger mit starkem katalanischen Akzent.
    »Bei jedem Durchgang hast du Gelegenheit zu gestehen; wenn du es nicht tust, machen wir weiter«, ließ sich Perrault wieder vernehmen, in der Hoffnung, einen Funken Panik in den Augen des Angeklagten zu entdecken.
    Das erste Folterwerkzeug waren die Beinschrauben, vier Holzbretter, mit denen Morins Waden zusammengepresst wurden. Perrault hörte, wie die Knöchel krachten, doch der Anhänger der Devoten gab keinen Schmerzenslaut von sich. Dann wurde er mit gefessselten Händen mittels eines Seilzugs an einen über drei Meter hohen Gewölbebogen gehängt, zunächst ohne Gewichte, danach mit einer Kugel von zwanzig Kilo an seinen Füßen und schließlich mit einem Gewicht von ungefähr fünfzig Kilo. Obwohl der Gefangene die Schmerzensschreie nun nicht mehr unterdrücken konnte, leugnete er weiterhin. Bei jeder neuen Foltermethode stellte Perrault vergeblich die gleichen Fragen. Zum Schluss bediente man sich des Spanischen Bocks, eines Folterinstruments auf vier Beinen. Richard Morin wurde daraufgesetzt und an eine Winde gefesselt, mit der die Glieder des Angeklagten ausgerenkt wurden. Je weiter die Winde gedreht wurde, desto furchtbarer und schriller wurden seine Schreie.
    »Er ist außergewöhnlich standhaft«, meinte der Henker mit einem Anflug von Bewunderung, als er den geschundenen Körper des Gefangenen losband, der endlich ohnmächtig geworden war. »Ich habe selten jemanden gesehen, der die Folter bis zum Ende durchgestanden hat, ohne zu bekennen.«
    Während die Folterknechte Morin ins Verlies zurückbrachten und ihn wieder an die steinerne Bank ketteten, stieg Perrault die Treppen hoch. Er schäumte vor Wut, weil er dem Gefangenen kein Geständnis hatte entlocken können, undschwor sich, am nächsten Tag in aller Frühe wiederzukommen und den Schurken zum Sprechen zu bringen, koste es, was es wolle.
     
    Nicht lange danach, als Morin gerade das Bewusstsein wiedererlangte, ging die Tür zu seinem Verlies auf und ein älterer, in einen schwarzen Umhang gehüllter Mann schlich herein.
    »Das Kreuz Jesu ist unser ganzer Stolz«, flüsterte er dem Geschundenen ins Ohr.
    »Meister«, stammelte Morin, der die Stimme des Anführers der Devoten sofort erkannt hatte. Vor einem Monat hatte er ihn in Mont-Louis gedemütigt, als er ihm Nachlässigkeit vorwarf. »Die Liebe Gottes hat mir geholfen zu schweigen, aber ich flehe Euch an, rettet mich!«
    »Deswegen bin ich gekommen, mein Sohn«, entgegnete der Mann und beugte sich noch tiefer über Morin. »Du hast unser Vertrauen missbraucht. Aus mir unerfindlichen Gründen hast du diese Schmähschrift verfasst und uns damit in größte Gefahr gebracht. Deswegen haben wir entschieden, dich zu denunzieren und unserer großen Sache zu opfern. Du musst wissen, dass deine armselige Existenz – wie im Übrigen auch die meine – keinerlei Gewicht hat. Gott hat dir die Kraft gegeben, dem Schmerz zu widerstehen und Stillschweigen zu bewahren; drum sorge dich nicht, der Herr wird dich auch in seinem Königreich empfangen.«
    Mit diesem Worten öffnete der Älteste der Devoten ein kleines Fläschchen und flößte Richard Morin ein starkes Gift ein, das seinen Leiden im selben Augenblick ein Ende bereitete.
    »Das Kreuz Jesu ist unser ganzer Stolz«, flüsterte der geheimnisvolle Besucher noch einmal, bekreuzigte sich und verließ das dunkle Verlies so leise, wie er gekommen war.

Schloss von Vincennes
    Montag, 7.   März, sieben Uhr abends
    Kaum sahen sie Colbert aus den Gemächern des Kardinals schlüpfen, stürzten sich die Besucher, die im Vorzimmer und auf den Treppen warteten, auch schon auf Mazarins Vertrauten. Unter rücksichtslosem Einsatz seiner Ellenbogen versuchte jeder, sich einen Weg durch das Gedränge zu ihm zu bahnen, und streckte ihm irgendetwas entgegen, in der Hoffnung, Colbert möge ihn bemerken: einer ein Stück Papier, ein anderer einen Rosenkranz, ein Dritter eine Medaille   … Verächtlich musterte Colbert die Menge, während drei Diener sich dem Gedränge entgegenstemmten, um ihn zu schützen.
    »Ich habe hier einen Brief des Kardinals«, brüllte ein schwitzender Geistlicher und schwenkte ein Schriftstück.
    »Monsieur Colbert!« »Mein Sohn, der   …«
    »Platz da!«
    Über das unbeschreibliche Stimmengewirr hinweg richtete Colbert, der Augen wie ein Luchs hatte, seine Aufmerksamkeit nun auf den Eingang zum Vorzimmer und

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