1661
herauszufinden, wer der Jüngling war, der sich mit einer wohlerzogenen Verbeugung von ihm verabschiedete.
Als der Architekt hinausgeeilt war, verlor sich Gabriel einmal mehr in der Betrachtung der prachtvollen Galerie. Eingehend studierte er die marmornen Götterstatuen und die imposanten ägyptischen Sarkophage, die ihn schon während seines letzten Besuchs mit Molière in Erstaunen versetzt hatten. Louise hatte ihn überzeugt, Fouquet um eine Audienz zu bitten. Nach dem Überfall, dem er beinahe zum Opfer gefallen wäre, hielt sie es für notwendig, dass Gabriel sich einer hochgestellten Persönlichkeit des Königreichs anvertraute, und Gabriel hatte schließlich zugestimmt. Als Vorwand für die Audienz dienten ihm ein paar Rechnungsbelege des Theaters, die von Fouquet unterschrieben werden mussten. Gabriel wusste nicht genau, wie weit er sich offenbaren konnte, doch hatte er Vertrauen zu Fouquet.
Eine Stunde später wurde der junge Schauspieler endlich aufgerufen. Froh, sich nach der langen Wartezeit wieder bewegen zu dürfen, folgte er dem Diener durch die Flure des Palais, deren Decken mit prächtigen Stuckarbeiten von Pietro Sassi verziert waren. Vor dem Arbeitszimmer des Ministers wurde es Gabriel dann doch etwas mulmig, und er fragte sich, ob es richtig gewesen war, Fouquet um eine Unterredung zu bitten. Doch es gab kein Zurück mehr, denn der Lakai hatte schon die große Flügeltür aufgerissen und ihn angekündigt.
»Tretet ein«, begrüßte ihn der Oberintendant in wohlwollendem Ton.
Er saß an seinem Schreibtisch. Das Kabinett war nicht sehr groß, aber mit erlesenen Möbeln des berühmten Tischlers Jean Lepautre eingerichtet, die ihm eine besondere Note verliehen.
»Euer Gnaden, Monsieur Molière schickt mich. Er entbietet Euch seinen respektvollen Gruß und bittet Euch, diese Belege hier zu unterzeichnen«, sagte Gabriel ehrerbietig und überreichte dem Oberintendanten ein umfangreiches Konvolut von Schriftstücken.
Mit einem freundlichen Lächeln deutete Nicolas Fouquet auf einen Sessel ihm gegenüber.
»Wisst Ihr, ob Monsieur Molière schon begonnen hat, an der Komödie zu schreiben, die er mir für den Sommer versprochen hat?«, fragte der Minister, während er die Papiere prüfte und sie mit seinem Namenszug versah.
»Er schreibt eifrig daran, das kann ich bezeugen. Ich glaube, Euer Gnaden sagen zu dürfen, dass das neue Stück ebenso viel Aufsehen erregen wird wie die im vergangenen Jahr uraufgeführten ›Lächerlichen Preziösen‹.«
»Das ist gut, das ist sogar sehr gut«, erwiderte der Oberintendant zufrieden. »Ich wünsche, dass das ganze Königreich das Talent unserer Künstler erkennt. Ihr habt vorhin die Bekanntschaft von François d’Orbay gemacht, einem der Architekten meines Lustschlosses in Vaux. Molières Truppe muss genauso gut sein wie die Kulissen, die ich mit ihm entworfen habe.«
»Das werden wir sein, Euer Gnaden. Ich selbst habe die außerordentliche Ehre, in der Komödie mitspielen zu dürfen«, antwortete Gabriel, von dem freundlichen Ton des Ministers ermutigt.
»Da bin ich aber froh«, sagte der Oberintendant trocken und sah endlich von seinen Schriftstücken auf. Er blickte Gabriel fest in die Augen. »Aber sagt mir, mein junger Freund, wie ich höre, überwacht die Polizei des Kardinals Molières Truppe.Verdächtigt man die Schauspieler irgendeines Unrechts? Hat Molière etwa Gelder unterschlagen?«
Erleichtert darüber, dass Fouquet ihm unbewusst das Stichwort gegeben hatte, die Angelegenheit anzusprechen, die ihm am Herzen lag, erzählte Gabriel, was er von der polizeilichen Überwachung wusste. Dann schilderte er in allen Einzelheiten den Überfall auf den alten Concierge des Theaters, hütete sich aber, auch nur ein Wort über die Ledermappe zu verlieren.
»Ich selbst«, schloss der junge Mann seinen Bericht, »bin vor drei Tagen ebenfalls Opfer eines Überfalls geworden. Es waren dieselben Männer, die auch unseren Concierge niedergeschlagen haben. Euer Gnaden, ich wage Euch um Rat zu bitten, was wir angesichts solch merkwürdiger Zufälle tun sollen.«
Der Oberintendant der Finanzen hatte Gabriel interessiert zugehört und ihm immer wieder ermunternd zugenickt, wenn er ins Stocken geriet. Seit ihrem ersten Zusammentreffen empfand er Sympathie für den jungen Schauspieler, dessen Manieren auf eine adelige Herkunft schließen ließen.
»Ich muss Euch noch etwas gestehen, Euer Gnaden«, fuhr Gabriel fort, der im Laufe seines Berichts beschlossen
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