1662 - Der Engelfresser
Hände reichen…«
***
Eine Kugel hatte nicht gereicht. Bill sah zwar nicht rot, aber seine Aktion kam ihm selbst schon wie ein kleiner Amoklauf vor.
Er schoss mehrmals im Laufen auf den Engelfresser. Bill war ein guter Schütze, der bei dieser Entfernung nicht vorbeischießen konnte, und er sah dann die Einschläge der Geschosse.
Da, wo die Kugeln trafen, blitzte es auf, mehr geschah nicht. Es gab keinen normalen oder stofflichen Körper. Das hätte Bill wissen müssen, aber er hatte sich in einer Ausnahmelage befunden und rein emotional gehandelt.
Nach dem fünften Schuss ließ er die Waffe sinken. Da er nicht auf den Boden schaute, sah er den kleinen Erdhügel vor sich nicht, geriet ins Stolpern und fiel auf die Knie. Da blieb er.
Sein Blick glitt in die Höhe. Er hätte schreien können vor Wut, denn seine Aktion war umsonst gewesen. Alle fünf Kugeln hatten dem Engelfresser nicht geschadet. Sie waren einfach durch seinen Körper hindurch geflogen.
An der Situation hatte sich nichts verändert. Johnny war noch da, der Engelfresser ebenfalls, und er lachte Bill aus, weil er die besseren Karten hatte.
»Du wirst deinen Sohn nicht mehr wiedersehen. Ich nehme ihn mit. Er wird zu einem Besucher der neuen Hölle. Sie ist meine neue Heimat. Ich habe den Ort von Engeln befreit und ihn für mich eingenommen, und jetzt auch für deinen Sohn, Conolly!«
»Neeeinnnn…!«, brüllte Bill. »Nein, das kann nicht sein. Das will ich nicht, das…«
Seine Stimme überschlug sich, brach dann, und er hörte noch einen Schrei, den Sheila ausgestoßen hatte.
Johnny konnte nichts tun. Er stand unter dem mächtigen magischen Bann des Engelfressers. Bill kniete in dieser demütigen Haltung am Boden, aber er wollte nicht so einfach aufgeben. Er raffte sieh auf. Es waren nur ein paar Schritte bis zu den beiden. Er überlegte nicht, in welche Gefahr er sich begab. Er dachte nur an Johnny und wollte sich auf ihn werfen.
Da packte ihn jemand von hinten. An der Schulter riss ihn Sheila herum und schleuderte ihn zu Boden.
»Willst du getötet werden?«, brüllte sie ihn an.
Gemeinsam hörten sie das widerliche und triumphierende Lachen des Engelfressers. Bill kam nicht mehr dazu, Sheila eine Antwort zu geben, denn wie auch sie schaute er zu, wie sich der Engelfresser drehte, seine Arme ausstreckte und nach Johnny griff. Er hob ihn an, als hätte er kein Gewicht.
Vor Sheilas und Bills Augen setzte er sich mit seiner Beute in Bewegung. Es sah so aus, als wollte er auf die andere Seite des Gartens zugehen, doch nach kaum drei Schlitten dünnte das bläuliche Licht aus. Es wurde schwächer und schwächer, und zugleich verschwanden der Engelfresser und Johnny Conolly.
Sheila und Bill blickten sich an. Sie saßen auf dem kalten Boden und mussten erst verkraften, was sie da erlebt hatten. Der Schreck stand in ihren Gesichtern geschrieben, und sie mussten lange warten, bis sie in der Lage waren, etwas zu sagen.
»Er hat ihn sich tatsächlich geholt«, flüsterte Bill. »Und hast du gehört, wohin er ihn bringen will?«
»Ja, in die neue Hölle.« Sheila konnte nicht anders. Sie lehnte ihren Kopf gegen Bills Schulter. »Und was machen wir jetzt, Bill? Hast du eine Idee?«
»Ja«, flüsterte er, »die habe ich. Wir rufen sofort John an…«
ENDE des ersten Teils
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