1663 - Insel der Schatten
von Owigorn überkam.
Die Nachricht eilte durch die Gassen bis hinauf zum Spiegelturm, daß Abillerhell und Pronteros schon im „Geviertelten" aneinandergeraten waren. Sie hatten sich dann aber schnell wieder getrennt, um sich für den Kampf auf dem Versteigerungsplatz vorzubereiten.
Es war selbstverständlich, daß jeder die Waffen wählen konnte, die ihm angenehm waren.
Einige der Veteranen erinnerten sich daran, daß Altvater Pronteros beim letzten Kampf vor langer Zeit mit einer exotischen Keule erschienen war. Aber Häuptling Abillerhell hatte eine Peitsche besessen, mit der er seinem Gegner das gefährliche Ding aus den Händen schlagen konnte.
Wer den letzten Kampf gewonnen hatte, wußte niemand mehr. Es spielte auch keine Rolle. Beide Erzfeinde hatten überlebt - und waren wieder Freunde geworden. Nur das war von Bedeutung.
Die Tribüne auf dem Versteigerungsplatz wurde in Windeseile entfernt. Yoyocerl kam vom „Geviertelten" herüber. Er führte eine lange Eisenstange mit sich. Damit kratzte er einen großen Kreis in den Boden. Der Kreis hatte einen Durchmesser von etwa fünfzig Metern und war etwas unregelmäßig geraten. In ihm würden sich die Kämpfer begegnen.
Danach zog er eine weitere ebensowenig exakte Linie um den Kreis herum. Die so entstandene, gut vierzig Meter breite Ringzone war das neutrale Gebiet, in das sich auch kein Zuschauer begeben durfte.
So besagte es das ungeschriebene Ritual.
Die Zuschauer versammelten sich am Rand des Versteigerungsplatzes. Auch auf den umliegenden Pueblos und Lagerhallen tauchten Gestalten auf, die den Kampf aus der Höhe verfolgen wollten.
Dann hatte der Hohe Priester Xiorkezz seinen Auftritt. Der uralte Owigo, der mit allerlei Tand behangen war, trat in den Mittelkreis.
Er schwenkte einen kleinen Metallbehälter, der an drei Ketten hing, hin und her. Aus dem Napf strömte ein beißender, von schwarzem Rauch begleiteter Geruch, der bis zu den Zuschauern reichte und diese zum Teil in Ekstase versetzte. Xiorkezz murmelte dabei ununterbrochen etwas vor sich hin, was aber niemand verstehen konnte.
Der Hohe Priester verschwand schließlich wieder, und die beiden Kämpfer traten auf. Sie kamen von entgegengesetzten Seiten.
Jeder von ihnen trug ein dickes Gewand. Der erfahrene Zuschauer wußte, daß das weniger dem Schutz diente. Vielmehr verbargen sich darunter die geheimen Waffen.
Abillerhell und Pronteros traten in den Mittelkreis. Sie verneigten sich vor dem Priester. Die Anfeuerungsrufe der Menge, die sich sofort in zwei Lager gespalten hatte, beachteten die beiden nicht.
Der Kampf begann damit, daß jeder zunächst versuchte, den anderen möglichst weit vom Zentrum des Kreises abzudrängen. Wem das schnell gelang, so hieß es in den Legenden, der hatte die Macht der Götter auf seiner Seite.
Die Auseinandersetzung verlief aber etwas anders. Abillerhell ließ sich offensichtlich freiwillig abdrängen. Aber als Pronteros einen ersten Jubelruf über den vermeintlichen Erfolg ausstieß, schlug der Häuptling zurück.
Er sprang auf den Altvater zu und schlitzte mit einem langen Messer dessen Gewand auf. Ein Schwert, eine Keule und ein kurzes Messer fielen zu Boden.
Pronteros heulte vor Wut auf. Er packte das Schwert und stürmte damit auf seinen Gegner zu.
Abillerhell wollte zur Seite ausweichen, aber er geriet ins Stolpern. In seiner Not zog er blitzschnell alle zweiundzwanzig Pseudopodien ein. Auch sein Multiorgan verschwand im Innern des Körpers. Dabei mußte er das Langmesser fallen lassen.
Seinen quaderförmigen Körper verformte Abillerhell - so gut es eben ging - in eine Kugel.
Nur für ein paar Sekunden.
Das reichte aus: Er geriet in eine Rollbewegung, dadurch verfehlten ihn die Schwerthiebe.
Einen Nachteil hatte die Sache aber doch. Auch er verlor sein Fellgewand. Was zum Vorschein kam, war für die Anhänger des Häuptlings des Abiller-Clans eine herbe Enttäuschung. Nur ein paar verknotete Schnüre und ein kurzes Messer lagen auf dem Boden. „Hab' ich dich!" brüllte Pronteros und stürmte erneut auf Abillerhell los. Der hatte aber schon alle Pseudopodien als Stummelbeine ausgefahren, sprang auf. Flink wich er seitlich aus.
Dabei geriet er an den Rand des Innenkreises, was den Altvater zu einem erneuten Triumphschrei verleitete.
Aber wieder hatte sich Pronteros zu früh gefreut. Abillerhell rannte auf seine verlorene Ausrüstung zu, gewann einige Meter Vorsprung.
Er verwandelte ein Bein in einen Arm, mit dem er aus dem Lauf heraus
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