1664 - Die Schöne und die Grausame
Verbindung war schnell hergestellt. Purdy stand zwischen zwei Autos, schaute über die Dächer hinweg zu dem Haus hin, in dem Tim Helling verschwunden sein musste. Er hatte ihr noch beim Weggehen gesagt, wo er wohnte. Es dauerte etwas länger, bis Purdy die Stimme des Geister Jägers hörte. »Wer stört denn um diese wunderbare Zeit des Feierabends?«
»Das Gesetz, mein lieber John.«
»Ha, du bist es, Purdy.«
»Genau. Und ich rufe nicht an, um dich zum Dinner einzuladen, es geht um etwas, das dich interessieren sollte.«
»Ich höre.«
»Vampire.«
»Aha. Weißt du mehr?«
»Und ob.« Sie gab einen knappen Bericht und hoffte, das Interesse des Geisterjägers geweckt zu haben. Sie musste keine Überzeugungsarbeit leisten, John gab sofort seine Zustimmung und wollte wissen, wo sie sich befand.
Purdy erklärte es ihm in allen Einzelheiten und nannte auch die Nummer des Hauses, in dem ihr Mitarbeiter wohnte.
»Okay, ich setze mich in Marsch.«
»Danke, John.«
»Bis gleich.«
Das Gespräch war vorbei. Purdy dachte darüber nach, ob sie richtig gehandelt hatte. Zumindest war es nicht falsch gewesen, John Sinclair zu informieren. Sie hatte ihm mitgeteilt, was wichtig war, und jetzt kam es auf sie an. Auf ihn warten oder das Haus betreten, in dem ihr Mitarbeiter wohnte? Purdy Prentiss war eine Frau der Tat. Das lange Warten passte ihr nicht. Also würde sie in das Haus gehen und nachsehen. Möglicherweise brauchte ihr Mitarbeiter auch Hilfe. Es hatte sich da so ein leicht negatives Gefühl in ihr aufgebaut. Sie machte sich auf den Weg und blieb dann vor einer geschlossenen Haustür stehen. Aber der Mensch muss auch Glück haben, denn Sekunden später wurde die Tür von innen geöffnet und ein älteres Ehepaar ging an ihr vorbei. Purdy Prentiss nutzte die Chance und schlüpfte in den Flur. Einen ersten Schritt war sie vorangekommen. Tim Helling hatte ihr erzählt, dass er ganz oben wohnte. Einen Aufzug gab es nicht, und so stieg sie hoch in die vierte Etage…
***
In der vierten Etage gab es eine Tür zwischen den Wohnungstüren, hinter der sich eine Besenkammer befand, in der einige Putzutensilien verstaut waren. Da gab es mehrere Eimer, die ineinander standen. Besen waren ebenfalls vorhanden und auch die grauen Wischlappen sowie scharf riechende Putzmittel.
Platz war kaum vorhanden. Es sei denn, ein Mensch betrat die Kammer und machte sich so schmal wie möglich. Genau das hatte Tabea getan. Ein besseres Versteck konnte es für sie nicht geben. Auch von der Übersicht her, denn durch den schmalen Türspalt behielt sie die Türen im Auge und sah auch, dass eine Wohnungstür geöffnet wurde. Ein Mann und eine Frau, die beide Winterkleidung trugen, verließen die Wohnung und gingen langsam die erste Treppe hinab. Unterwegs hielten sie an, weil sie einen Nachbarn getroffen hatten, mit dem sie ein Gespräch begannen.
Tabea King war zufrieden. Besser konnte es für sie nicht laufen. Bald würde sie zuschlagen können, was für sie auch Zeit wurde, denn sie spürte die Gier nach dem menschlichen Lebenssaft in sich immer stärker werden.
Sie musste warten. Das hatte Elena ihr gesagt, bevor sie mit Tim Helling in seiner Wohnung verschwunden war. Zwischen den beiden Vertrauten war alles abgesprochen worden. Nie ging jemand allein einen Weg. Man nahm sich immer gegenseitig mit. Ihr kam auch zugute, dass die Umgebung düster war. Helles Licht mochte sie nicht. Die Nacht war ihre Zeit, und da zeigte sie sich auch den Menschen, die sich oft erschreckten, wenn sie Tabea zu Gesicht bekamen. Wobei Elena den guten Gegenpart spielte.
Das alles gehörte zusammen. Diese Welt hatten sie sich geschaffen, und die wollten sie auch nicht verlassen.
Die Zeit war vorbei, die Tabea sich selbst gegeben hatte. Sie drückte die Tür der Kammer auf und betrat leise den Flur, der nur ein schmales Fenster an der Seite hatte. Tabea bewegte sich durch ein düsteres Dämmer. Eine schlanke Gestalt, die eine schwarze enge Hose und einen dünnen Pullover trug. Das Haar hing lang bis auf die Schultern herab.
Ein schmales Gesicht hatte sie. Darin fielen die ebenfalls recht schmalen Augen und die hohen Wangenknochen auf, wobei der Mund einen farblichen Kontrast zu der leicht grünlich schimmernden Haut bildete. Tabea war alles andere als eine Schönheit. Aber von ihr ging eine Faszination aus, die Menschen in ihren Bann schlagen konnte. Sie lächelte, als sie dicht vor der Wohnungstür stand und sah, dass sie nicht geschlossen war.
Auf Elena
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