1665 - In der Totenstadt
keine Chance mehr.«
Nach diesen Worten wurde auch Jenny Mason klar, dass die andere Seite gewonnen hatte. Sie wollte trotzdem etwas sagen, doch dazu kam sie nicht mehr, denn in ihrem Körper schoss etwas hoch. Sie wusste nicht, was es war, doch sie erlebte in den folgenden Sekunden das Gefühl der Panik, das bei ihr alles durcheinander brachte. Sie konnte nicht mehr normal sehen. Die Welt verschwamm vor ihren Augen, und ein gewaltiges Zittern schüttelte ihren Körper. Es war ihr auch nicht möglich, sich auf den Beinen zu halten. Alles bewegte sich wie in einem Kreisel, und dann gab es eine Kraft, die sie an den Fußknöcheln erwischte und ihr die Beine wegzog. Jenny Mason fiel nach vorn - und hatte das Glück, dass Eve in ihrer Nähe stand und sie auffing. Sie fiel in deren Arme hinein und hatte plötzlich den Eindruck, geborgen zu sein.
Weg war die Gefahr, weit weg. Alles war wieder in Butter, sie konnte das Grauen vergessen und…
Nein, sie vergaß es nicht.
Denn da war der schlimme Gestank, der ihren Kopf umhüllte. Sie hatte die unsichtbare Wolke noch nie so nah und intensiv erlebt wie in diesen Augenblicken, Als sie den Mund öffnete, um Luft zu holen, da war dies nicht mehr möglich. Der Gestank nahm ihr den Atem, und sie hörte hinter sich ein seltsames Geräusch. Es war eine Mischung aus Schmatzen und Stöhnen. Auf ihre Schultern legten sich zwei weiche Pranken. Jenny ahnte, was da passiert war. Sie öffnete die Augen, sah wieder klar und schaute in das Gesicht ihrer Leidensgenossin.
»Eve - bitte«, flüsterte sie.
»Ich kann nicht…« Aus Eves Augen rannen Tränen. Sie war ja bereit, Jenny zu helfen, aber da gab es die andere Seite, die das nicht zulassen konnte. Plötzlich lösten sich die Hände von Jennys Schultern. Einen Moment später huschte etwas vor ihrem Gesicht entlang und Sekunden später umfing die Würgeschlinge den Hals der Friseurin…
***
Es ist aus! Es ist vorbei! Der Tod hat mich erwischt.
Schlimme Gedanken jagten durch Jennys Kopf, während ihr zugleich die Luft knapp wurde. Noch einmal schaffte sie es, kurzzeitig Atem zu holen, dann war es vorbei. Ein heftiger Ruck erwischte ihre Kehle. Der gesamte Körper bewegte sich nach hinten. Sie fing an zu stolpern und kippte dem Erdboden entgegen. Dabei wartete sie darauf, dass sie aufschlug und von einer gnädigen Bewusstlosigkeit umfangen wurde. Doch der Ghoul ließ es nicht so weit kommen. Seine weichen Schleimhände fingen sie ab und legten sie beinahe behutsam auf den Boden.
Jenny warf ihren Kopf hin und her, weil sie das Messer an ihrer Kehle loswerden wollte. Ja, das Band schnitt in die Haut fast wie eine Messerklinge. Sie würgte, sie keuchte, röchelte, bewegte sich hektisch und lag auf dem Rücken, während der Ghoul hinter ihr kniete, die beiden Enden der Bänder festhielt und darauf wartete, dass sein Opfer die letzten Zuckungen hinter sich hatte. Das würde nicht mehr lange dauern, denn die Bewegungen der jungen Frau wurden schwächer. Sie trat auch nicht mehr mit den Beinen aus, nur noch ein Zucken der Füße war zu beobachten.
Das Gesicht hatte eine starke Blässe angenommen. Die Augen waren verdreht, der Mund stand offen, die Zunge hing bereits an der linken Seite hervor. Der Ghoul kannte sich aus. Er wusste, wann es so weit war. Nicht mal eine halbe Minute würde es mehr dauern, dann hatte sich der Tod ein neues Opfer geholt. So war es immer gewesen, aber so war es heute nicht.
Alles veränderte sich, als die beiden Schüsse aufpeitschten…
***
Der Körper des Ghouls zuckte. Wegen der Schussechos war das Klatschen der Einschläge in seinen Kopf nicht zu hören gewesen, doch der Erfolg konnte sich sehen lassen.
Schleim spitzte in die Höhe und auch zu den Seiten weg. Fast ein Drittel des widerlichen Schädels verschwand. Der Körper veränderte seine Haltung. Er neigte sich zur rechten Seite, und das rote Band, das bisher noch von zwei Händen gehalten wurde, rutschte daraus hervor.
Wie eine gewaltige Qualle landete der Ghoul am Boden. Wäre nicht die Kleidung gewesen, hätte er sich aufgrund seiner Masse ausgebreitet, so aber wabbelte er unter der Gummihaut.
Aus dem Hintergrund löste sich ein blondhaariger Mann und rannte auf den Ort des Geschehens zu. Weitere Männer liefen hinter dem Mann her, der eine Waffe in der rechten Hand hielt und nicht mehr feuerte.
Stattdessen ging er neben der liegenden Ghoulgestalt in die Knie und beugte sich vor. Der Mann war ich!
Meinen Zustand konnte ich nur schwerlich
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