1667 - Gefangene der Pharaonen
aber nicht zutrifft. Ich habe sie nie zuvor in meinem Leben gesehen.«
»Glaube ich dir. Und trotzdem hat sie Angst vor dir gehabt. Kaum hat sie dich gesehen, da war sie völlig verändert.«
»Stimmt. Nur habe ich ihr keinen Grund dafür gegeben. Das musst du mir glauben.«
»Schon. Aber es bleibt dabei. Ihr Verhalten können wir nicht wegdiskutieren.«
»Stimmt.«
Sie runzelte die Stirn. »Und was hältst du davon? Das war doch nicht normal.«
»Genau. Ich muss irgendetwas an mir haben, das sie störte.«
»Da du selbst davon gesprochen hast, was könnte das sein?«
Ich hob die Schultern, gab trotzdem eine Antwort, und die drehte sich um das Thema, über das wir nicht sprechen wollten. Allerdings verklausulierte ich es etwas.
»Ich bin nie privat, Jane!«
Sie presste die Lippen zusammen. Der Blick ihrer blauen Augen funkelte. Sie dachte nach und nickte.
»Du gibst mir recht?«
»Fast.« Jane trank einen Schluck Wein. »Die sah so aus, als hätte sie eine höllische Angst vor dir gehabt.«
»Kein Widerspruch.«
»Und was schließt du daraus?«
»Man müsste dann annehmen, dass sie auf der anderen Seite steht, was ich kaum glauben kann.«
»Ich auch nicht, aber…« Jane hob die Schultern.
Was war das nur? Ich wusste es nicht. Da hatten wir uns auf einen netten Abend im Theater gefreut und jetzt das.
»Womit kannst du sie geschockt haben?«
»Keine Ahnung. Die Antwort müsste sie uns selbst geben. Und dazu werde ich sie fragen.«
»Nein, John.«
»Wieso nicht?«
»Du kannst ja mit ihr sprechen. Es ist nur besser, wenn du es erst nach der Vorstellung tust.«
Das hatte ich eigentlich nicht vorgehabt. Doch wenn ich näher über Janes Einwand nachdachte, musste ich ihr schon zustimmen. Ich wollte die Künstlerin nicht ablenken. Sie hatte sowieso einen leichten Schock erlitten, den sie erst überwinden musste.
»Etwas stimmt mit dieser Cleo Sharid nicht, Jane. Ich jage normalerweise keinem Menschen Angst ein, der mich zum ersten Mal sieht. Hier sah alles anders aus, und diesen Grund werden wir herausfinden.«
Jane Collins nickte nur.
***
Nichts ging mehr, gar nichts!
Plötzlich war es zu diesem Schock gekommen, als Cleo den Mann gesehen hatte, der mit einer blonden Frau an einem Tisch saß und einen völlig normalen und auch harmlosen Eindruck machte.
Dann war in ihrem Innern etwas passiert, das sie völlig aus der Bahn geworfen hätte. Plötzlich war sie nicht mehr sie selbst gewesen. Eine andere Macht hatte sie übernommen. Zwar lag es noch an ihr, zu handeln, aber das war auch alles. Sie fühlte sich fremdbestimmt und hatte natürlich vergessen, dass sie sich noch etwas, zu trinken holen wollte.
Ab jetzt beherrschte sie nur der Gedanke an Flucht. Auf jeden Fall weg aus dem Restaurant. Nicht mehr länger den Mann anschauen müssen. Sie lief den normalen Weg zurück, aber sie hatte das Gefühl, dass sie es nicht selbst tun würde, sondern von einer anderen Kraft getrieben wurde.
Ihr Ziel war die Garderobe, und beim Aufreißen der Tür wäre sie beinahe gestolpert. Sie hielt sich an der Kante fest und taumelte in den recht großen Raum hinein, der als Garderobe von mehreren Akteuren benutzt wurde.
Hinter ihr fiel die Tür wieder zu. Die Frau ging mit schleifenden Schritten auf ihren Platz zu und ließ sich auf den Stuhl mit dem dünnen Filzkissen fallen.
Momentan war sie die einzige Person im Raum. Das kam ihr sehr entgegen. Die Hauptdarsteller wurden als Letzte geschminkt. Es waren eigentlich nur drei. Sie, dann der Mann, in den sie laut Stück verliebt war, und ihr Feind, der Hohepriester. Er musste auch noch geschminkt werden, das wusste sie. Namid war es schon. Er würde sie nicht stören.
Sie war froh darüber, auf dem Stuhl sitzen zu können. Noch immer herrschte in ihrem Innern ein großes Durcheinander. Sie wusste nicht, wie es zu einer solchen Reaktion hatte kommen können. Dieser Mann war völlig harmlos gewesen. Ein Besucher des Musicals, der vor Beginn der Vorstellung noch etwas trinken wollte. Kein Grund zur Panik. Und trotzdem hatte es sie erwischt.
Nur allmählich ließ das Zittern nach. Cleo fand auch wieder den Mut, ihren Kopf anzuheben und in den Spiegel zu schauen. Sie blickte in ein Gesicht, das zwar ihr gehörte, aber recht verzerrt war, und darin spiegelte sich auch das Gefühl der Angst wider.
In Reichweite standen einige Wasserflaschen. Sie drehte eine noch gefüllte auf und trank einen langen Schluck. Das Wasser tat ihr gut und sie schloss die Augen, nachdem sie
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