1667 - Gefangene der Pharaonen
und auch Echem schminkte. Danach sah er noch schauriger aus, während ihre Schönheit nicht litt.
Echem lächelte sie an. »Ich denke, du solltest dich umziehen. Ich habe Susan schon auf dem Flur getroffen. Sie wird bald hier sein.«
»Ja, das wollte ich gerade. Aber da bist du gekommen.«
Lässig winkte er ab. »Lass dich nicht stören.« An seinem Platz lag eine Illustrierte. Er nahm das Magazin hoch, schlug es auf und vertiefte sich darin. Das Unwohlsein bei ihr war nicht verschwunden. Cleo fühlte sich eingeengt, und das würde in der Gegenwart des Mannes auch so bleiben. Noch einen letzten Blick warf sie in den Spiegel, dessen Fläche wieder völlig normal war und nur das eigene Bild zurückwarf. Nichts war mehr von irgendwelchen Gestalten zu sehen. Sie stand auf und ging zu einem bestimmten Platz an der Seite des Raums. Dort konnte sie sich umziehen. Dazu zog sie eine Ziehharmonikawand auseinander. Aus einem schmalen Schrank holte sie das Kostüm, das mehr aussah wie ein großer und auf ihren Körper zugeschnittener Leinensack.
Cleo streifte ihre normale Kleidung ab. Bis auf einen Slip war sie darunter nackt. Dieser Slip war Hautfarben, und aus einem Fach holte sie einen ebenfalls hautfarbenen BH, den sie anlegte und mit einem routinierten Griff schloss. Sie hatte darauf bestanden, diese Unterwäsche zu tragen, denn das Kostüm saß sehr locker und hatte an den Seiten lange Schlitze, die erst an den Hüften endeten. Auch der Ausschnitt war sehr weit. Da war es schon besser, wenn sie etwas darunter trug. Es hatte Abende gegeben, da war Echem zu ihr gegangen und hatte ihr beim Umkleiden zugesehen. Eine Unverschämtheit war das gewesen, aber sie hatte nichts dagegen unternehmen können. Ein Beschweren hätte nichts gebracht. Der Einfluss des Kollegen war zu groß. Diesmal kam er nicht, denn Susan hatte die Garderobe betreten, um ihrem Job nachzugehen. Sie war bereits damit beschäftigt, den Hohepriester zu schminken. Jetzt nickte sie Cleo zu, die wieder ihren Platz einnahm und darauf wartete, dass sie an der Reihe war.
»Und? Wie ist es?«
Cleo war angesprochen worden. »Wie immer.«
Susan lachte. Sie war eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren mit einer wilden Lockenfrisur, wobei sie ihre Haare sehr hell gefärbt hatte. »Da kann ich dir zustimmen, Cleo.«
»Wie meinst du das?«
»Ganz einfach. Die Vorstellung ist mal wieder bis auf den letzten Platz ausverkauft.«
»Wirklich?«
»Fast wie immer.«
»Und das mitten in der Woche.«
»Du sagst es, Cleo.«
Susan nahm den Pinsel aus dem kleinen Farbtopf und zeichnete mit der Spitze bestimmte Falten im Gesicht des Hohepriesters nach. So bekam er ein dämonisches Aussehen. Sehr düster, und er wirkte auch um einige Jahre gealtert. Echem sprach nicht. Er hielt den Kopf leicht gesenkt und vertiefte sich in sein Magazin. Kontrollieren, ob Susan ihren Job gut machte, musste er nicht.. Sie schaffte das locker, und sie sagte voller Stolz: »Das ist heute so etwas wie ein kleines Jubiläum. Wir haben die fünfzigste Vorstellung.«
Echem gab keine Antwort. Dafür staunte Cleo. »Wirklich? Sind wir schon so lange am Ball?«
»Ja, wenn ich es dir sage.«
»Verrückt, wie die Zeit vergeht.«
Nach diesem Satz ließ Echem sein Magazin sinken. Er bewies damit, dass er zugehört hatte, und drehte den Kopf nach links, um seine Kollegin anzuschauen.
»Die Zeit ist etwas Wunderbares«, sagte er mit leiser Stimme. »Kannst du dir das vorstellen?«
»Nein. Eigentlich nicht. Was meinst du damit?«
»Es gibt gewisse Spielarten der Zeit. Wäre es nicht toll, wenn man in die Vergangenheit reisen könnte? Praktisch auf dem Strahl der Zeit, um das zu erleben, was damals das Leben der Menschen bestimmt hat?«
»Nein, das ist nichts für mich«, sagte Susan.
Cleo aber fragte: »Worauf willst du hinaus?«
Echem rieb seine Hände. »Stell dir mal vor, du bist in der Lage, in die Vergangenheit zu reisen. Du kannst das, was wir jetzt auf der Bühne spielen, real erleben. Wäre das nicht was Wunderbares?«
Cleo gab nicht sofort eine Antwort. Sie dachte an ihre nicht zu erklärenden Erlebnisse. An das Auftauchen der Fremden, dieser unheimlichen Wesen, die zur Mythologie des Landes gehörten, die aber nicht der Realität entsprachen. Sie wich dem Blick des Mannes aus und antwortete ihm mit leiser Stimme. »Nein, das wäre nicht wunderbar. Ich lebe hier und mir gefällt diese Zeit. Da muss ich nicht ein paar Tausend Jahre zurückreisen. Sorry, aber damit habe ich nichts am
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