1668 - Wolfsnacht
möglich.« Suko ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Sie sind aber nicht von hier?«
»Stimmt. Wir kommen aus Bulgarien. Aber das muss Sie nicht interessieren. Wir haben dieses Schloss hier erworben und…«
Suko hielt plötzlich seinen Ausweis in der Hand. »Es interessiert uns aber doch.«
Der Alte sagte erst mal nichts. Nur seine breiten Lippen zuckten. »Was soll das?«
»Sie wissen jetzt, wer wir sind, und ich denke, dass Sie uns die Fragen beantworten sollten. Sie heißen?«
Der Alte gab die Antwort noch nicht sofort. »Ich stamme aus Bulgarien. Ich habe hier alles getreu nach Gesetz und Recht getan. Mein Name ist Boris Baranov.«
»Gut. Und sie Wohnen hier allein?«
»Ja. Noch.«
»Was heißt das?«
»Ich werde meine Familie bald nachkommen lassen. Ich wollte nur erst alles regeln. Reicht das?«
»Wir haben aber etwas anderes gehört«, sagte Suko. »Man hat noch einen jüngeren Mann und eine Frau gesehen. Nicht im Haus, sondern in der Nähe.«
»Dafür kann ich nichts.«
»Dann gehören die beiden nicht zu Ihnen?«
»So ist es.«
»Und von einer jungen Frau namens Helen Winter haben Sie auch nichts gehört?«
»Das sagte ich Ihnen bereits.«
»Dann entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich.
»Bitte sehr.«
Eine Sekunde später war die Tür wieder geschlossen. Wir schauten uns an, wobei Suko ein Kopf schütteln andeutete und sagte: »Der hat doch von vorn bis hinten gelogen.«
»Du sagst es.«
»Und jetzt?«
Ich war überfragt. Einen. Durchsuchungsbefehl würden wir ohne triftigen Grund nicht bekommen, und der war für einen Richter hier nicht gegeben. Ich ging ein paar Schritte zur Seite.
»Niederlage?«, fragte Suko, der an meiner Seite blieb.
»Nur zum Teil.«
»Wann sind wir wieder hier?«
Ich lächelte breit. »Wenn die Bedingungen besser sind. Damit meine ich die Dunkelheit.«
»Bis zum Abend warten?«
»Was sonst?«
Ich sah Suko lächeln. »Und dann lässt man uns hinein?«
»Nicht unbedingt.«
Wir schauten uns an, nickten uns zu und waren davon überzeugt, dass sich in der Dämmerung oder während der Dunkelheit so einiges ändern würde. Dann würde sich das Schicksal hoffentlich wieder auf unsere Seite schlagen, denn wir mussten Helen Winter finden. Wir konnten sie auf keinen Fall in den Klauen der Werwölfe lassen. Daran glaubten wir beide, obwohl uns bisher hier noch keiner über den Weg gelaufen war…
***
Helen Winter saß auf der Bettkante und schüttelte den Kopf. Sie konnte es nicht fassen. Aber sie brauchte sich nur umzusehen, um die ganze Wahrheit zu erkennen. Sie sah zwei Fenster. Hinzu kamen die Einrichtung und auch die Tür. Und die war abgeschlossen. Das hatte sie deutlich gehört, nachdem Igor das Zimmer verlassen hatte.
Trotzdem war sie hingegangen und hatte sich davon selbst überzeugt. Ja, sie kam nicht raus.
Dann hatte sie die Fenster untersucht und festgestellt, dass die Fenster keine Griffe hatten. Dafür dicke Scheiben. Die hätte sie eventuell einschlagen können, aber was brachte ihr das? Nichts, gar nichts. Sie hätte nur Lärm gemacht, und der Alte und sein Sohn waren bestimmt nicht taub.
Je mehr sie über sich und ihr Schicksal nachdachte, umso stärker wurde die Angst. Sie hatte nicht vergessen, was ihr Igor zum Abschied mitgeteilt hatte. Er wollte die Nachfolge seiner Familie sichern. Wie das geschehen sollte, darüber musste Helen Winter nicht lange nachdenken. Da gab es nur eine Möglichkeit. Und davor fürchtete und ängstigte sie sich gleichermaßen.
Er würde sie vergewaltigen!
Der Gedanke daran war furchtbar. So etwas kannte sie nur aus der Theorie. In den Medien wurde auch hin und wieder über derartige Fälle berichtet, und jetzt zu wissen, dass so etwas auf sie zukommen würde, das war wie eine Folter. Sie saß da und hatte ihre Haltung verändert. Durch die letzten Gedanken war sie zusammengesackt, schlug die Hände vor ihr Gesicht und schaffte es nicht, die Tränen zu stoppen.
Wie lange sie in dieser Haltung auf der Bettkante gesessen hatte, wusste sie nicht. Sie schlief auch nicht ein, und ihr Gehör funktionierte noch, sonst hätte sie nicht das Geräusch außen an der Tür gehört.
Kam Igor zurück?
Im Schloss bewegte sich der Schlüssel. Jetzt war die Tür offen, und sie überlegte, ob sie nicht aufspringen und den Türöffner angreifen sollte.
Sie war mit ihren Überlegungen noch nicht fertig, da wurde die Tür nach innen geschobert. Helen hatte es durch die Lücken ihrer Finger gesehen, und sie rechnete
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