1668 - Wolfsnacht
weg.
»Was haben Sie vor?«
Igor strich durch sein dunkles Haar, ohne es bändigen zu können. Er lachte sie an, wobei zwischendurch ein leises Keuchen zu hören war. »Ab jetzt gehörst du mir. Ich habe lange auf eine wie dich gewartet, aber ich wusste, dass ich irgendwann Glück haben würde.«
Helen hatte alles gehört, aber sie verstand nicht oder wollte nicht verstehen. »Was soll das?«, flüsterte sie. »Warum sagen Sie so einen Mist?«
»Weil es wichtig für mich ist.«
Sie trat mit dem Fuß auf und spürte den Ärger in sich hochsteigen. »Aber nicht für mich.«
Igor schaute sie aus seinen kalten Augen an. »Du hast hier nichts zu sagen, du nicht! Du bist jetzt bei uns, den Baranovs, und hier wird sich dein Schicksal erfüllen.«
»Dann willst du mich töten?«
Igor schüttelte den Kopf. »Nein!«
»Was soll ich dann hier?«
Igor ließ sich Zeit mit der Antwort. Er schaute sie mit seinen kalten Augen vom Kopf bis zu den Füßen an, und als Helen den bestimmten Blick in seinen Augen sah, da ahnte sie etwas, kam aber nicht mehr dazu, ihre Befürchtung auszusprechen, denn ihr wurde plötzlich eiskalt, wobei ihr Atem scharf aus dem Mund strömte. Da öffnete sich die nahe Tür von innen. Ein großer, bärtiger und weißhaariger Mann erschien im offenen Ausschnitt und nickte Igor zu. »Willst du nicht endlich mit deinem Gast hineinkommen? Du stehst da wie auf dem Präsentierteller.«
»Ja, Vater, sofort.«
Helen wollte sich nicht noch mal anfassen oder tragen lassen. Deshalb ging sie von allein auf den Weißhaarigen zu, der sie mit Wohlwollen betrachtete.
»Willkommen bei den Baranovs«, sagte er und deutete so etwas wie eine leichte Verbeugung an. »Sie werden es auf unserem Schloss gut haben, wenn Sie…«
Helen blieb stehen. »Ich will aber nicht. Und ich will auch nicht bei Ihnen bleiben.«
Der Weißhaarige legte den Kopf schief. »Ich fürchte, dass Sie keine andere Wahl Haben.«
Es waren Worte, die sie hart trafen. Sie wollte antworten, was sie nicht mehr schaffte. Plötzlich war ihre Kehle zu, und sie zuckte zusammen, als sich die Tür mit einem leisen Knall wieder schloss.
Gefangen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie stand in einer kalten Halle, in der es so gut wie keine Einrichtungsgegenstände gab. Nicht mal Bilder an den Wänden. Ein paar Schemel, ein Tisch in der Nähe dieser Sitzgelegenheiten, das war alles. Die Vorbesitzer schienen alles mitgenommen zu haben.
Der Mann mit den weißen Haaren hatte hier offenbar das Kommando. Helen war für ihn nicht mehr wichtig. Dafür sein Sohn umso mehr. Er trat nahe an ihn heran und schlug zu.
Der Schlag klatschte gegen Igors Kopf, und er war so wuchtig geführt worden, dass der jüngere Mann beinahe zu Boden geschleudert wurde, sich jedoch noch rechtzeitig genug fangen konnte und den Treffer mit einem wilden Fluch hinnahm. Er hielt Abstand von dem Älteren und hörte sich dessen Schimpfkanonade an. Auch Helen Winter war zu einer Zuhörerin geworden. Nur verstand sie kein Wort. Es wurde bulgarisch gesprochen, und das meiste sagte der Ältere, von dem Helen glaubte, dass er der Vater des Jüngeren war.
Sie hörte auch den Namen Boris, den der Sohn ab und zu mal aussprach, und er selbst hieß Igor.
Mit einer Drohung durch die rechte Hand beendete der Alte seine Schimpfkanonade. Danach fuhr er herum, und seine Stimme war wesentlich leiser, als er sich an Helen wandte.
»Es tut mir leid für Sie, aber das musste einfach sein. Mein Sohn hat zu viele Fehler begangen.«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber ich. Er sollte Sie nur holen, und zwar so, dass es nicht auffällt. Leider ist es aufgefallen. Es gibt zwei Zeugen. Er hat vergessen, sie auszuschalten, und ich kann nur hoffen, dass er das nicht bereut.«
Für Helen stand fest, dass Boris von den beiden Männern gesprochen hatte, die ihr hatten helfen wollen, und sie konnte sich vorstellen, dass Igor die beiden Männer hatte tot zurücklassen sollen. Das konnte ihr beim besten Willen nicht gefallen, aber für sie stand jetzt auch fest, dass sie hier so leicht nicht mehr wegkommen würde. Sie war eine Gefangene und sie wusste, dass man sie nicht grundlos hergeschafft hatte.
»Was soll ich denn hier?« Sie quälte sich die Frage ab.
Boris schaute sie länger an als gewöhnlich und er betrachtete sie dabei sehr genau. »Er wird es dir selbst erklären wollen, und ich denke, dass er dich jetzt in dein Zimmer bringen kann.«
»Wieso mein Zimmer?«
»Ja, wir haben es für dich
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