1668 - Wolfsnacht
Ägyptens verbündet hat. Das ist vorbei.«
Justine nickte. »Und du hast sie nicht beschützt?«
Die Frage stieß mir sauer auf. »Was soll das denn jetzt? Wir waren privat in einem Musical. Nicht im Traum wäre ich darauf gekommen, dass es eskalieren könnte.«
Sie akzeptierte das nicht. »In deinem Job muss man immer damit rechnen, verdammt.«
Ich drehte meinen Kopf zur Tür. »Verschwinde! Ich hasse es, wenn sich jemand in etwas einmischt, von dem er keine Ahnung hat. Also hau ab.«
Es sah so aus, als wollte sie gehen. Dann hob sie die Schultern an und lächelte.
»Okay, kommen wir wieder zur Sache.«
»Was meinst du damit?«
Sie deutete auf das Bett. »Wann ist Jane wieder normal?«
»Keine Ahnung.«
Sie warf mir einen scharfen Blick zu. »Und was sagen die Ärzte?«
»Sie wissen es auch nicht. Es kommt darauf an, wie sich Jane innerlich erholt und wie die Wunde heilt. Erst dann wird sie aus diesem Zustand befreit.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Noch mal sah sie mich aus ihren Eisaugen an, dann hob sie die Schultern. Danach trat sie wieder ans Bett und flüsterte Jane etwas zu, obwohl die nichts mitbekam.
»Du wirst nicht sterben. Und sollte es doch so weit kommen, werde ich eingreifen und dich in meine Welt holen.«
In mir kochte es hoch. Was das bedeutete, lag auf der Hand. Sie würde Jane das Blutaussaugen lehren und dafür sorgen, dass sie ebenfalls zu einer Wiedergängerin wurde.
Ich wusste das, aber ich behielt es für mich und ging nicht weiter darauf ein.
»Wir gehen«, erklärte ich stattdessen. »Wir sind schon zu lange hier.«
Es war gut, dass Justine sich nicht sträubte. Sie setzte sich sogar noch vor mir in Bewegung. Die Schwester hatte auf uns gewartet. Sie saß in einem kleinen Raum und ließ die Kontrollinstrumente nicht aus den Augen. Durch die große Scheibe hatte sie alles mitbekommen und sagte jetzt: »Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen keine Fragen beantworten, was den Zustand der Patientin angeht. Wir können nur hoffen, dass es nicht zu einer großen Krise kommt.«
»Ja, dafür muss man schon einen gewissen Optimismus aufbringen.«
»Und Gottvertrauen.«
»Sie sagen es, Schwester.«
Die Krankenhauskleidung legten wir ab und hatten nicht viel später die Klinik verlassen.
Justine begleitete mich bis zu meinem Rover. Dort blieb sie stehen und stemmte die Hände in die Hüften.
»Und was fangen wir mit dem angebrochenen Abend an?«
»Was du tun willst, weiß ich nicht. Ich für meinen Teil fahre in meine Wohnung und werde den Abend dort allein verbringen.«
»Wie schön.«
»Meine ich auch.«
Die Cavallo hatte begriffen. Sie lachte kurz auf, winkte mir lässig zu und verschwand. Ob sie auf der Suche nach Menschenblut war, wusste ich nicht. Ich wollte darüber auch nicht nachdenken, das hatte ich schon zu oft getan, ohne dass ich hätte etwas ändern können.
Ich setzte mich in den Rover und fuhr zu dem Haus, in dem ich wohnte. Ich hatte Suko versprochen, noch bei ihm und Shao vorbeizuschauen, um ihnen persönlich einen Bericht über Janes Zustand zu geben.
Wie hieß es noch?
Die Hoffnung stirbt zuletzt, und das sollte auch für Jane Collins gelten…
***
Ihre Eltern waren bei einer Geburtstagsfeier in der Nachbarschaft, und so betrat Helen Winter ein Haus, in dem sich momentan niemand aufhielt. Das Außenlicht brannte und schuf einen hellen Flecken in der Dunkelheit.
Auch jetzt hatte sie sich noch nicht beruhigt. In ihrem Innern brodelte es. Sie zitterte und schwitzte zugleich. Das Haus gab ihr keine Sicherheit, denn sie konnte sich einfach nicht von dem befreien, was sie gesehen hatte.
Es war furchtbar. Es war schrecklich. Nein, es war einfach unaussprechlich und unglaublich.
An dem letzten Wort hakte sie sich fest. Wer würde ihr das glauben, was sie erlebt hatte?
Wahrscheinlich keiner. Ihre Eltern nicht, die Nachbarn auch nicht. Sie würden es als Spinnerei abtun, obwohl ihnen allen hier im Ort das Schloss nicht geheuer war, und das galt auch für seine neuen Besitzer, einer Familie mit dem Namen Baranov. Menschen, die aus Bulgarien stammten und die es hierher verschlagen hatte, aus welchen Gründen auch immer.
Helen ging in die kleine Küche und holte sich etwas zu trinken. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, und so trank sie den Orangensaft direkt aus der Flasche. Der Schluck tat ihr gut. Die innere Anspannung aber konnte er nicht vertreiben. Sie musste etwas unternehmen. Sie konnte das Erlebte nicht für sich behalten. Es war durchaus möglich, dass
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