1670 - Der Psychonauten-Gott
auch für das Übersinnliche.
Das alles wusste Dagmar. Auch sie besaß das Auge, ein uraltes Erbe, aber sie hielt es zurück, denn sie konnte es nicht kontrollieren. Es passte nicht zu ihr, und sie war immer froh gewesen, wenn es sich nicht meldete.
Dagmar wusste auch, dass sie nicht die Einzige war, die das dritte Auge besaß. Wer aber die Gestalt im Spiegel gewesen war, das war ihr nicht bekannt. Ein Götze - ja, das wusste sie. Aber dahinter konnte sich viel verbergen, und sie wusste nicht, welche Götzen die alten Psychonauten verehrt und angebetet hatten. Sie waren im Prinzip oder von Natur aus nicht schlecht gewesen, das glaubte Dagmar zumindest, aber auch bei ihnen existierte die Teilung zwischen Gut und Böse. So gab es bei ihnen die Loge der Mystiker, die noch den alten Riten nachgingen.
Ob auch die Personen, deren Namen sie gehört hatte, damit in Verbindung standen?
Es gab Fragen über Fragen. Leider keine Antworten, doch die wollte sich Dagmar holen. Sie hoffte auf Harry Stahl und auf seine Internetsuche. Auf die Uhr hatte sie nicht geschaut, und so wusste sie nicht, wie lange er schon verschwunden war. Sein Arbeitszimmer war das Letzte im Flur, und Dagmar wollte wissen, wie weit er war. Sie erhob sich langsam von ihrem Stuhl und hatte dabei das Gefühl, Blei in den Knochen zu haben. Die Arme waren ihr schwer geworden. Sie fühlte sich einfach schlecht. Sie hatte Glück. Die Küche brauchte sie nicht zu verlassen, weil Harry in der Tür auftauchte.
»Ach, ich wollte gerade zu dir.«
»Das brauchst du nicht.« Er lächelte. »Nimm wieder Platz.«
»Und? Hast du Erfolg gehabt?«
Auch Harry ließ sich nieder. Er ließ sich etwas Zeit mit der Antwort. »Das denke ich.«
»Toll.« Dagmars Lächeln fiel trotzdem verhalten aus.
Harry sah seiner Partnerin ins Gesicht. »Es gibt die beiden Personen tatsächlich.«
Dagmars Augen weiteten sich. »Und? Haben sie sich etwas zuschulden kommen lassen? Sind sie auffällig geworden? Kann man davon ausgehen, dass es Spuren gibt, die zu den Psychonauten führen?«
Stahl winkte mit beiden Armen ab. »Nicht so schnell, Dagmar. Immer der Reihe nach. Ich habe die Namen nicht in unserer speziellen Suchmaschine gefunden. Sie sind nicht auffällig geworden. Aber registriert sind sie schon. Ich sage mal in der normalen Datei. Fangen wir bei Elmar Kogel an. Er lebt in Bayern und ist Pfarrer…«
Dagmar zuckte zusammen. »Was ist er?«
»Pfarrer! Du hast schon richtig gehört.«
Sie lehnte sich zurück und drückte eine Hand gegen ihre Stirn. »Ich kenne ihn nicht. Ich habe noch nie mit einem Pfarrer zu tun gehabt, der ein Psychonaut ist.«
»Okay, Dagmar. Kommen wir zum zweiten Namen. Gerd Olsen lebt in Hamburg. Er arbeitet als Therapeut.«
»Was?« Sie verzog die Lippen. »Mit so einem Menschen habe ich bisher ebenfalls nichts zu tun gehabt.«
»Das weiß ich.«
Sie blies die Luft aus. »Und was hast du sonst noch herausgefunden?«
»Nichts. Das ist es gewesen. Ich habe auch nicht weiter geforscht. Pfarrer und Therapeut und zugleich Psychonaut. Und dich zähle ich als dritte Person hinzu.«
»Das ist«, sie schüttelte den Kopf, »das ist einfach nicht zu fassen. Ehrlich nicht.«
»So sehe ich das auch zunächst.« Harry nickte ihr zu. »Ich denke aber, dass es so etwas wie ein Anfang ist. Das heißt, es wird weitergehen. Damit müssen wir rechnen.«
»Meinst du, dass sich noch mehr offenbaren werden?«
»Das ist möglich. Aber wir konzentrieren uns zunächst auf diese beiden Namen. Es ist klar, dass wir mit den Leuten Kontakt aufnehmen werden, und dann sehen wir weiter. Es kann durchaus sein, dass auch sie deinen Namen kennen und sich mit dir in Verbindung setzen wollen. Von euch besitzt jeder das dritte Auge. Möglicherweise seid ihr Teile eines großen Plans, hinter dem noch jemand steckt, den wir bisher nicht kennengelernt haben.«
»Du nicht. Ich schon«, flüsterte Dagmar. »Da muss ich nur an die Maske denken.«
»Stimmt auch. Sie kann das Verbindungsglied zwischen euch sein. Ich glaube fest daran, dass du die beiden anderen Menschen bald kennenlernen wirst.«
»Ich denke, dass wir das sogar forcieren werden.«
»Und ob!«
Im Moment war alles zwischen ihnen beiden gesagt. Jeder hing seinen Gedanken nach und fragte sich, was da auf sie zukommen würde.
Die Tatsache, eine Psychonautin zu sein, empfand Dagmar Hansen in diesem Fall als eine Last und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Sie konnte auch nicht sagen, ob sie diese Offenbarung
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