1670 - Der Psychonauten-Gott
bekommen, die mich nach Hamburg brachte, sodass ich gegen Mittag landen konnte. Auch Harry Stahl wollte einen Flieger nehmen. Nur kam er von Frankfurt. Er würde eine halbe Stunde vor mir eintreffen und mich bereits erwarten, was wichtig war, denn mit meiner Waffe konnte ich schlecht durch die normale Kontrolle gehen. In der Tat fing Harry mich ab. Seine Beziehungen reichten aus, um mich einen anderen Weg führen zu können, wobei wir von zwei Bewaffneten vom Sicherheitspersonal begleitet wurden, die erst verschwanden, als wir den normalen Bereich erreichten.
»Jetzt muss ich einen Schluck trinken, John.«
»Ich auch.«
Wir fanden einen freien Tisch, der zu einem Imbiss gehörte. Ein Kaffee tat uns beiden gut. Ich aß noch ein Croissant, während ich Harry anschaute, dessen Gesichtsfarbe grau war.
Ich wollte ihn nicht darauf ansprechen, er fing von sich aus mit dem Thema an.
»Ich weiß, dass ich beschissen aussehe.«
»Das hast du gesagt.«
»Aber du hast es gedacht.«
»Stimmt, Harry. Du hast schon mal besser ausgesehen.« Ich biss in mein Croissant, das mir sogar schmeckte. Dann trank ich einen Schluck Kaffee und wartete darauf, dass Harry etwas sagte.
»Du weißt, dass Dagmar verschwunden ist.«
»Genau. Mehr aber auch nicht, es wäre toll, wenn du mit Einzelheiten dienen könntest.«
»Deshalb sitzen wir ja hier. Erst mal muss ich mich bedanken, dass du überhaupt gekommen bist und…«
»Vergiss es.«
»Danke, trotzdem.«
Am Nebentisch ließen sich vier Jugendliche nieder, die auf ihren Flieger warteten. Sie redeten ziemlich laut und freuten sich schon jetzt darauf, am Ballermann zu feiern und die Puppen dort tanzen zu lassen.
Ich erfuhr eine Geschichte, die fast unglaublich klang, aber leider den Tatsachen entsprach. Harry konnte mir auch nicht sagen, warum es gerade Dagmar erwischt hatte. Jedenfalls hatte sie sich nicht dagegen wehren können oder wollen.
»Und dabei hat sie von zwei Namen gesprochen, die ihr und dir nicht bekannt waren?«
»So ist es. Zwei Männer. Der eine heißt Elmar Kogel und ist Pfarrer in einem kleinen Kaff in den Alpen.«
»Pfarrer?«
»Ja.«
Ich winkte ab und schüttelte den Kopf. »Am Telefon hast du mehr über den zweiten Mann gesprochen…«
»Ja, über Geld Olsen, den Hamburger. Deshalb treffen wir uns ja auch hier.«
Ich wiegte den Kopf und sagte: »Das ist schon eine ziemlich gewagte Theorie, Harry. Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind? Was hat darauf hingedeutet, dass wir deine Dagmar hier in Hamburg finden?«
»Keine konkreten Spuren. Ich habe mich nur auf mein Gefühl oder meine Nase verlassen. Er ist von Beruf Therapeut. Ich habe daran gedacht, dass er unter Umständen Macht über Menschen bekommt, und als Psychonaut könnte sich das noch verstärken. Oder siehst du das anders?«
»Ich sehe überhaupt noch nichts, Harry. Ich wünsche mir nur, dass du recht hast und wir nicht wieder zurück in deine Heimat fahren müssen.«
»Das hoffe ich auch nicht.«
»Okay, belassen wir es dabei. Wie ich dich kenne, hast du dich über diesen Olsen kundig gemacht. Was weißt du noch von ihm, abgesehen davon, dass er diesem Beruf nachgeht?«
»Nicht viel.«
»Und das Wenige?«
»Er hat hier im Hamburg, im vornehmen Stadtteil Blankenese, eine private Praxis. Ich habe sie mir noch nicht angesehen und dachte mir, dass wir gemeinsam hinfahren.«
»Das ist nicht schlecht.«
»Wunderbar.« Er konnte sogar lächeln. »Und wenn ich an die Praxis denke, dann kommt mir in den Sinn, dass es vielleicht sogar mehr ist als nur das.«
»Wie meinst du das?«
»Ein Haus, verstehst du? Einer, der auch Patienten für länger aufnimmt.«
»Könnte sein. Hast du im Internet nachgeschaut?«
»Auch.« Harry runzelte die Stirn. »Da hält er sich seltsamerweise zurück. Er macht keine große Reklame für sich, das zeigt auch, dass er es nicht nötig hat. Seine Kunden kommen auch ohne große Werbung zu ihm.«
»Was ist mit dem Pfarrer?«
Harry verzog das Gesicht. »Ich halte ihn für weniger dominant, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Du bist hier der Boss.«
»Und wir werden gleich nach Blankenese fahren und dem Haus des Therapeuten einen Besuch abstatten. Wer dort wohnen kann, dem geht es alles, nur nicht schlecht.«
Das mochte stimmen. Und ich gab mir gegenüber zu, dass mich Harry auch neugierig gemacht hatte. Drei so unterschiedliche Menschen werden wieder an ihr Trauma erinnert, das so lange verschüttet gewesen war. Und ausgerechnet Dagmar Hansen gehörte
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