1670 - Der Psychonauten-Gott
dazu.
»Was hältst du denn von diesem Götzen?«, fragte ich noch. »Oder glaubst du, dass sich Dagmar ihn eingebildet hat?«
Harry Stahl schüttelte den Kopf. »Nein, bestimmt nicht. Ich mache ihn für alles verantwortlich, das kannst du mir glauben.«
»Ja, schon«, gab ich zu. »Hast du dir auch Gedanken darüber gemacht, woher er gekommen sein könnte?«
Harry schluckte und legte dabei die Stirn in Falten. »Gekommen sein könnte, John? Kann es nicht sein, dass er schon immer da gewesen ist? Seit uralter Zeit, und dass er jetzt wieder aktiviert wurde?«
»Und wo könnten wir ihn finden?«
»Keine Ahnung.«
»Oder hier?«
»Das wäre mir am liebsten«, flüsterte er. »Hier in Hamburg, zusammen mit den drei…« Er hörte mitten im Satz auf zu sprechen.
»Was ist los?«
Harry wischte über seine Stirn. »Ich rede immer von den Psychonauten und habe darüber Dagmar vergessen.« Er holte Luft. »Weißt du, an was ich mich festhalte, John?«
»Nein.«
»Daran, dass sich Dagmar trotz allem nicht verändern lässt. Mag kommen, was will, dass sie nicht auf die andere Seite springt. Du kennst sie gut. Du kennst ihren normalen Zustand und du kennst auch ihren anderen. Hat sie sich gegen uns gestellt, wenn der Wandel zur Psychonautin hinter ihr lag? Waren wir Feinde? Oder hat sie uns als Feinde gesehen?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Danke, dass du ebenfalls so denkst. Darauf setze ich. Wir sind keine Feinde, auch jetzt nicht, da ich davon ausgehen muss, dass sie sich auf die andere Seite geschlagen hat. Aber als Feindin möchte ich sie nicht betrachten.«
»Das hoffe ich auch.«
»Gut, dann sollten wir jetzt fahren.«
»Warte noch, Harry. Willst du dich nicht zuvor erkundigen, ob die Praxis auch geöffnet hat?«
»Nein. Wir fahren hin.«
»Okay.«
Gezahlt hatten wir schon. So brauchten wir nur dorthin zu gehen, wo der Leihwagen stand, den Harry besorgt hatte. Es war ein dunkelblauer Opel Astra, in dessen Innern es noch neu roch.
»Du kennst dich aus?«, fragte ich, als Harry hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte.
»Ich denke schon.«
»Dann los.«
Wir beide waren gespannt, und ich hoffte inständig, dass wir Dagmar Hansen aus dieser Psychonauten-Falle herausholen konnten…
***
Man kann die Stadt bei Schmuddelwetter erleben, auch im Frühling und unter dem Schein der Sonne.
Das passierte uns an diesem Tag. Es war einfach herrlich, durch die Stadt zu fahren und dann den Weg in Richtung Elbe einzuschlagen, denn der Vorort Blankenese liegt am Fluss. Durch Blankenese führt die berühmte Elbchaussee, die alles andere als eine ruhige Straße war, sondern zu denen in Deutschland gehörte, die am meisten befahren waren. Die Anschrift hatten wir uns gemerkt und suchten jetzt nach der richtigen Hausnummer, was nicht so leicht war.
Hier standen die prächtigen Villen nicht nur an der Straße, sondern auch in den Seitenstraßen, die vom Verkehr verschont blieben, aber wir mussten auf der Chaussee bleiben und hatten auch das Glück, das Haus zu entdecken, das auf einer Grünfläche stand und von Bäumen umwachsen war, die ein frisches Grün trugen. Man konnte zwar nicht von einem Glaspalast sprechen, aber von einer gläsernen Fassade schon, und das Haus stand auf vier Stelzen, was ungewöhnlich war. Wer sich in der dritten Etage aufhielt, der hatte das Glück, einen fantastischen Blick erleben zu dürfen. Er schaute über den Fluss hinweg, konnte aber auch den Hafen sehen, wenn er seinen Kopf nach links drehte.
Das Haus selbst lag nicht direkt an der Straße. Man musste von ihr abbiegen, durch ein Tor fahren und gelangte auf das Grundstück, dessen Wege mit hellem Kies bedeckt waren. Neben dem Haus gab es einen großen Parkplatz, auf dem einige Wagen der Oberklasse standen.
»Da muss man sich ja direkt schämen, mit einem Opel vorzufahren«, meinte Harry und grinste.
»Nun ja, es kommt immer darauf an, wer hinter dem Lenkrad sitzt.«
»Da hast du recht.«
Wir rollten über den knirschenden Kies dorthin, wo die anderen Fahrzeuge parkten. Neben einem großen Rhododendronstrauch hielten wir an und stiegen aus. Die Luft hatte sich erwärmt. Trotzdem herrschte noch eine gewisse Kühle vor, aber das tiefe Einatmen tat gut. Vom Verkehr auf der Straße war nicht viel zu hören. Man musste sich schon sehr konzentrieren, um ihn wahrnehmen zu können. Ich bin ja ein Mensch, der sehr auf sein Bauchgefühl achtet. Das tat ich auch in diesem Fall, als Harry und ich langsam auf den Glasbau zugingen. Als Fenster
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