1670 - Der Psychonauten-Gott
einen so tollen Blick über den Hafen zu haben und dann noch hinaus auf die Elbe, die träge in Richtung Nordsee floss und auf deren Oberfläche sich die Sonnenstrahlen des Frühlingstages widerspiegelten, sodass das Wasser von einem Meer aus Funken übersät zu sein schien.
Seine Wohnung lag in der dritten und letzten Etage des viereckigen Baus, der erst seit einem halben Jahr hier stand und zudem noch auf Stelzen errichtet worden war. Man konnte hier wohnen und arbeiten. Das tat Gerd Olsen auch. Er ging einem Beruf nach, der krisensicher war, wie er stets behauptete.
Er war Therapeut!
Wie sagte man doch so schön? Wer in dieser Zeit keinen Therapeuten braucht, ist nicht in und auch nicht normal. Da viele Menschen auf diese These reinfielen und es zudem immer mehr wurden, konnte sich der blondhaarige Mann mit dem scheuen Hugh-Grant-Lächeln über Zulauf an Kundschaft nicht beklagen. Auch an diesem Tag hatte er bis auf eine kleine Pause lange gearbeitet. Er war froh, als er seine letzte Patientin entlassen hatte, um endlich Feierabend machen zu können. Wie immer am Abend gönnte er sich den Blick durch das Fenster. Über den Hamburger Hafen schauen zu können hatte auch für ihn etwas Therapeutisches. Es beruhigte ihn. Wenn er dieses Panorama sah, glaubte er, im Leben angekommen zu sein. Die Rollos hatte er hochfahren lassen. Jetzt fiel das Licht voll in sein Büro, das zweigeteilt war. Auf der einen Seite stand nicht weit vom Fenster entfernt der Schreibtisch, ein wunderbares Möbelstück aus dem achtzehnten Jahrhundert, das einen krassen Kontrast zu dem modernen grauen Holzfußboden bildete und den kantigen Ledersesseln aus der Bauhaus-Periode.
Eine Couch oder eine Liege gab es nicht. Sie stand in einem kleinen Nebenraum. Seine Klienten sollten nicht das Gefühl haben, bei einem Arzt zu sein. Auch war er nicht wie ein Arzt gekleidet. Er gab sich locker. Das weiße Hemd stand zwei Knöpfe weit offen. Dazu trug er einen dünnen Kaschmirpullover in einer violetten Farbe, und auch die schwarze Tuchhose saß perfekt.
Hinter ihm klopfte es leise gegen die Tür.
»Ja, Diana, was ist denn?«
»Pardon, Gerd.« Diana sprach erst, als sie die Tür geöffnet hatte. »Da war noch ein Anruf.«
Olsen griff zur Zigarettenschachtel, die auf dem Schreibtisch lag. Er klopfte ein Stäbchen hervor und steckte es zwischen seine Lippen. »Und? Worum ging es?«
»Um einen Termin.«
Olsen winkte ab. »Du weißt doch, Diana, dass du diejenige bist, die meine Termine macht.«
»Das ist wohl wahr. Nur wollte der Mann heute noch zu dir kommen.«
Gerd Olsen blies den Rauch gegen die Scheibe. »Der scheint nicht zu wissen, dass ich…«
»Doch, das weiß er.«
»Und?«
Diana verzog ihr Gesicht. »Es ist ein bekannter Politiker, der dich unbedingt noch heute aufsuchen möchte.«
Olsen grinste überheblich. »Er kann kommen, aber nicht heute. Hast du ihm das gesagt?«
»Natürlich.«
»Schön. Und wie hat er reagiert?«
»Aufgelegt.«
»Das ist gut.« Der Therapeut drückte seine Zigarette aus. Danach ging er an seinen großen Schreibtisch und öffnete eine der Seitentüren. Darin hatte er eine Kühlbox einbauen lassen, gerade hoch genug, um eine Flasche Champagner aufzunehmen. Sie holte er hervor und auch zwei Gläser.
»Gestresst, Chef?«, fragte Diana.
»Sieht man das?«
»Dafür habe ich einen Blick.«
»Dann wirst du etwas dagegen tun, nicht wahr?«
»Ja«, flüsterte sie, »das ist doch abgemacht worden zwischen uns.« Sie ging auf den Mann zu. Bekleidet war sie mit einem knielangen hellen Kleid, und als sie ging, bewegten sich ihre Brüste unter dem Stoff und zeigten an, dass sie durch nichts gehalten wurden.
Olsen kümmerte sich um die Gläser. In beide floss das edle Getränk und das Zischen der Perlen war zu hören. Diana sah es. Sie wusste, was passieren würde, und sie tat es gern, denn ihr Chef war genau der Mann, den sie hin und wieder brauchte. Was allerdings auf Gegenseitigkeit beruhte, denn auch er konnte nicht von ihr lassen. So versüßten sie sich beide mehrmals im Monat den Feierabend, ohne dabei irgendwelche Verpflichtungen einzugehen.
Das Kleid musste nicht aufgeknöpft werden, es fiel einfach. Nur einen dünnen Reißverschluss nach unten ziehen, und Olsen bekam das zu sehen, was er wollte. Diana ging um den Schreibtisch herum. Die Hälfte des Reißverschlusses hatte sie schon nach unten gezogen, als sie sich auf den Schoß des Mannes sinken ließ, dabei nach den Gläsern griff, eines ihrem Chef
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