1671 - Chaos-Kämpfer
ansetzen sollen?«
»Nein. Nicht im Augenblick.«
»Schade.« Sie legte den Kopf schief und meinte: »Diese Frau ist wirklich wichtig. Auch du bist für sie wichtig. Das weiß ich. Das hat man mir bewiesen.«
Ich hob den Kopf. »Wieso?«
»Warte einen Moment.«
Ich blieb sitzen und war gespannt, was jetzt folgte. Justine stand auf und verließ die Küche. Sie ging nicht nach oben in die erste Etage, sondern blieb im unteren Bereich. Sekunden später hörte ich ihre Stimme aus dem Flur.
»Du kannst kommen, John.«
Auch den Gefallen tat ich ihr. Der Kaffee hatte mich wieder munter gemacht. Ich verließ die Küche und wandte mich nach rechts, denn von dort hatte ich Justine sprechen gehört.
Sie war auch da. Aber sie war nicht mehr allein.
Justine hockte auf dem Boden, hatte den Körper einer Frau dicht an sich herangezogen und den Kopf so weit angehoben, dass der Hals in ihrer Mundnähe lag. Und so war es ihr gelungen, beide Zähne in die Haut der Frau zu schlagen, die ich aus der Vergangenheit kannte…
***
Damit hatte ich nicht gerechnet und fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen. Es war ein Bild, das ich am liebsten weggewischt hätte, aber die Realität ließ sich nicht manipulieren.
Justine Cavallo löste ihre Zähne vom Hals der Frau und rollte den Körper kurzerhand von sich wie einen Gegenstand, der nicht mehr gebraucht wurde. Im Flurlicht war deutlich ihr blutverschmierter Mund zu sehen, den sie auch nicht abwischte. Dann deutete sie auf den bewegungslosen Frauenkörper.
»Na, kennst du sie?«
Ich nickte.
Justine lachte. »Sie hat dich verfolgt und du hast es nicht bemerkt. Aber mir fiel sie auf. Denn als du in der Küche gesessen hast, schaute ich mich etwas um. Vor dem Haus habe ich sie erwischt, und ich kann dir sagen, dass ihr Blut meinen Hunger stillte. Das war kein altes Blut, das in ihrem Körper floss, es schmeckte frisch, es sprudelte in meinen Hals und es war einfach phänomenal.«
Ja, das glaubte ich ihr, aber ich sagte es ihr nicht. Nur ein Nicken brachte ich zustande. Justine stand auf. Sie leckte dabei letzte Tropfen von ihren Lippen. Dann lächelte sie und strich mit ihren Händen über ihre Rundungen.
»Sie wird dich nicht mehr stören…«
Ich musste mir die Kehle frei räuspern, um etwas zu sagen. »Warum hast du das getan?«
»He, was soll das? Ich habe sie dir vom Hals geschafft. Sei froh darüber.«
»So kann nur jemand reden, der keine Ahnung hat.«
»Ach - meinst du?«
»Ja, das meine ich. Diese Person lebend in die Hände zu bekommen wäre für mich ungemein wichtig gewesen. Ich hätte sie zwingen können, mir mehr über die Vergangenheit zu sagen. Wie sie es geschafft haben, auf dem Strom der Zeiten reisen zu können. Und was hast du getan? Du hast sie getötet. Gnadenlos.«
»Ich musste mich sättigen. Oder hättest du es lieber gesehen, wenn ich mir eine unschuldige Person zur Brust genommen hätte?«
»Du weißt genau, wie ich dazu stehe.«
Sie lachte mich an. »Ich musste die Gelegenheit nutzen. Den Rest kannst du ja übernehmen.«
Ich starrte sie an und blickte in ein eiskaltes Augenpaar. Ja, sie hatte mal wieder gezeigt, wie wenig menschlich sie handelte, und ich hatte das Gefühl, dass mein Blut allmählich anfing zu kochen. Scharf atmete ich durch die Nase, während die Cavallo an mir vorbeiging, mir noch einen Klaps auf die Schulter gab und die Treppe nach oben nahm. Sie hatte mir tatsächlich den Rest überlassen, und das war nicht gut. Wer sein Blut an einem Vampir verlor, der geriet automatisch in den Kreislauf des Grauens. Er war nicht tot. Er erlebte in den nächsten Sekunden eine neue Geburt, um als ein seelenloses Wesen zu erwachen, das sich ebenfalls vom Blut der Menschen ernährte. Es war der Beginn einer schlimmen Kette, die schon am Beginn zerstört werden musste. Da durfte selbst das erste Glied nicht existieren. Das wusste die Cavallo. Normalerweise vernichtete sie ihre Opfer selbst, in diesem Fall hatte sie sich davongemacht und mir die Aufgabe überlassen. Von der Blutsaugerin hörte ich nichts mehr. Im Haus war es still geworden. Auch die leblose Person zu meinen Füßen gab keinen einzigen Laut von sich. Ja, ich musste es tun. Es ging kein Weg daran vorbei. Ich hätte meine Pistole nehmen und ihr eine geweihte Silberkugel in den Kopf schießen können. Das wolle ich nicht. Die Stille im Haus sollte nicht unterbrochen werden. Dabei dachte ich auch an Jane Collins, die oben schlief.
Also griff ich zur anderen Methode. Ich streifte
Weitere Kostenlose Bücher