1672 - Die Insel
Luft.
Erst jetzt bemerkte sie, dass wir in ihrer Nähe standen. Sie schaute uns an und schüttelte den Kopf.
»Entschuldigung, dass ich - dass ich…«
»Bitte, das ist verständlich«, sagte ich. »Was Sie erlebt haben, das ist…«
Sie ließ mich nicht ausreden. »Mein Vater ist tot«, stellte sie mit heiserer Stimme fest.
»Ja, er ist tot. Die andere Seite hat es geschafft!« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie er gestorben ist, aber es muss grausam gewesen sein. Aber eines steht fest. Ich hasse seine Mörder, ich hasse sie bis aufs Blut, und ich werde sie jagen und stellen. Haben Sie das gehört?«
»Ja!« Suko sprach für mich mit. »Das ist auch verständlich, Lucy, aber ich denke, dass Sie doch ein wenig nachdenken sollten, wobei ich weiß, dass es nicht leicht ist.«
»Was meinen Sie denn damit?«
»Ich denke, dass Sie uns die Aufklärung des Falles überlassen sollten.«
Da hatte Suko genau das Falsche gesagt. Lucy McMillan sah aus, als wollte sie in die Höhe springen und ihm an die Kehle gehen. Dazu kam es nicht, aber ihre Reaktion war trotzdem heftig.
»Nein!«, fuhr sie uns an. »So läuft es nicht. So wird es ganz und gar nicht x laufen. Ich werde dabei sein, das bin ich meinem Vater schuldig. Haben Sie gehört?«
»Ja«, sagte ich. »Sie sollten es sich trotzdem überlegen. Das ist kein Spaziergang und…«
»Das habe ich auch nicht angenommen. Ich weiß, was auf mich zukommt, und ich werde mich den Dingen stellen. Darauf können Sie sich verlassen.« Sie nickte heftig und sagte dann: »Und noch etwas. Hier können wir nicht viel erreichen oder gar nichts. Wir müssen in die Höhle des Löwen, wie man so schön sagt. Und die liegt in diesem Fall vor der Küste. Es ist die Insel, auf der das Böse lauert und die mein Vater so geliebt hat. Ich weiß, dass Sie dorthin wollen, und ich werde mit Ihnen fahren, das schwöre ich Ihnen…«
»Aber es ist zu riskant. Sie spielen mit Ihrem Leben«, sagte ich.
»Hören Sie auf, Mister Sinclair. Ich weiß genau, was ich kann und was nicht. Außerdem kenne ich die Insel. Mein Vater hat mich früher oft genug mitgenommen. Es wird kein Problem geben und,…«
»Kann sie sich nicht verändert haben?«, fragte Suko dazwischen.
»Ja, das stimmt.« Ihre Augen wurden schmal. »Sie ist besetzt worden. Von Mördern, die es eigentlich nicht geben darf. Auch das habe ich akzeptiert. Und trotzdem habe ich mich entschlossen, auf die Insel zu gehen, und auch Sie beide können mich nicht davon abhalten. Sie müssen mich schon niederschlagen oder fesseln, um das zu verhindern. Das ist mein letztes Wort.«
Lucy konnte nicht mehr. Es war ihr Glück, dass sie noch am Tisch saß, sonst wäre sie bei ihrem Zusammensacken auf den Boden gefallen. So aber sank sie mit dem Kopf auf die Tischplatte und fing wieder an zu weinen. Ich gab Suko mit einem Blick zu verstehen, den Raum zu verlassen, was wir auch taten. An der Wohnzimmertür blieben wir stehen und schauten uns an.
»Sie hat einen starken Willen«, murmelte Suko. »Und ich denke nicht, dass wir ihn brechen können.«
»Das sehe ich auch so.«
Er schaute mir in die Augen. »Und was tun wir?«, fragte er mit leiser Stimme.
»Auf keinen Fall den Plan ändern. Es bleibt dabei. Wir chartern uns ein Boot und fahren zu dieser Insel.«
»Mit ihr?«
Ich hätte am liebsten Nein gesagt, doch das brachte ich nicht fertig. Lucy würde ihr Versprechen wahr machen und allein losfahren. Gewaltsam zurückhalten konnten wir sie nicht. Also blieb uns nichts anderes übrig, als sie mit ins Boot zu nehmen, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
»Wir müssen sie mitnehmen, Suko.«
Er sagte nichts. Hob die Schultern und nickte danach. Eine Geste, die zeigte, dass auch er unsicher war. Aber wir hatten letztendlich keine andere Wahl. Wir hörten aus der Küche das Geräusch von Schritten. Sekunden später schob sich Lucy in den Flur. Sie sah uns auf der Schwelle zum Wohnzimmer stehen, reckte ihr Kinn vor und sagte nur: »Ich bin bereit. Je schneller, desto besser.«
»Ja«, sagte ich leise, »kommen Sie…«
***
Es war kein Problem, an ein Boot zu kommen. Auf der Fahrt zum Hafen hinunter erfuhren wir, dass das Schlauchboot von Lucys Vater im Hafen lag und auch aufgetankt war.
»Wie lange wird die Fahrt dauern?«, fragte ich.
»Nicht mal eine halbe Stunde. Außerdem haben wir Glück. Die See ist recht ruhig.«
»Okay.« Nach meiner Antwort stoppte Suko den BMW auf dem Hafengelände. Zwei Lieferwagen standen in der
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