1676 - Die Jenseits-Kutsche
sieht es ja aus -, kann man sie treffen. Es kann natürlich alles ganz anders sein, aber darüber möchte ich jetzt nicht nachdenken. Irgendwas will ich tun.«
Sheila und Johnny wussten, dass sie Bill nicht aufhalten konnten, und sagten nichts. Der Reporter machte sich auf den Weg. Er ging langsam. Er war vorsichtig, horchte, schaute sich um und spürte ein Kribbeln, das nicht aufhören wollte. Er sah auch in die Küche hinein, durchsuchte den Flur, ging aber nicht in den Keller, sondern in den kleinen Gang, von dem sein Arbeitszimmer abging. Zuvor hatte er noch in Johnnys Zimmer geschaut und es leer vorgefunden.
Dann betrat er sein Arbeitszimmer und ging dabei vorsichtig zu Werke. Er schob die Tür auf, war dann beruhigt und trat über die Schwelle. Die Beretta lag in der Schublade und nicht in einem Safe, der auch vorhanden war.
Bill zog die Lade auf.
Die Pistole lag griffbereit. Er nahm sie an sich und fühlte sich sofort sicherer. Bill steckte sie in den Hosenbund, wollte sich umdrehen, um das Zimmer zu verlassen, und hörte genau in diesem Moment die fremde Flüsterstimme.
»Ich bin da!«
Der Reporter fuhr herum und seine Augen weiteten sich. Erstaunen und Erschrecken hielten sich bei ihm die Waage.
Vor ihm stand der mit einem langen Messer bewaffnete Prinz!
***
Für mich war es wie ein Traum, der sich plötzlich in eine Wahrheit verwandelt hatte. Vor mir stand tatsächlich Nadine Berger!
Bei ihrem Anblick überschwemmten mich die Erinnerungen. Meine Güte, was hatte ich nicht alles mit ihr erlebt! Das Gleiche galt auch für die Conollys und besonders für Johnny.
Sie stand in ihrer menschlichen Gestalt vor mir und nicht in der einer Wölfin mit menschlichen Augen. Als solch ein Wesen hatte sie für einige Zeit bei der Familie Conolly gelebt und den kleinen Johnny beschützt. Ich musste daran denken, dass sie ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte, aber das waren Erinnerungen, die sich in diesem Moment schnell verflüchtigten. Jetzt war ich gespannt, welche Rolle sie in diesem Fall spielte, denn mit ihrem Erscheinen hatte ich nicht gerechnet und auch nicht damit, dass ich in Avalon gelandet war.
Für mich stand jetzt fest, dass die Kutsche und Johnnys zeitweiliges Verschwinden etwas mit diesem geheimnisvollen Kontinent zu tun hatte. Ich kannte Avalon zwar nicht, aber ich musste zugeben, dass es nicht mein erster Besuch auf der Nebelinsel war, die für mich immer ein Rätsel bleiben würde. Nadine lächelte. Sie ging noch weiter auf mich zu. Weiterhin hingen die Nebelschwaden wie Fahnen in unserer Umgebung und auch zwischen uns, aber sie störten uns nicht bei der Umarmung.
Es kam zu einer Situation, die mich wieder als Erinnerung zurück in die Vergangenheit trieb. Ich dachte daran, wie ich Nadine kennengelernt hatte. Da war sie nicht nur eine normale und schöne Frau gewesen, sondern eine bekannte Filmschauspielerin, die später in einen Strudel geraten war, der sie zu einer Wölfin hatte werden lassen.
Es kam mir jetzt so vor, als wäre die Zeit nicht verstrichen und sie noch immer ein Filmstar.
Sie drückte mich langsam von sich. Dabei sprach sie mich an.
»Wie lange ist es her, John, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben?«
»Ich weiß es nicht mehr. Aber es ist schon einiges an Zeit vergangen.«
»Ja, und jetzt bist du hier. Und es kommt mir vor, als hätte ich dich erst gestern gesehen.«
»Mir ergeht es auch so. Aber dass wir uns hier sehen, kann kein Zufall sein, oder denkst du anders darüber?«
»Nein, bestimmt nicht. Es ist auch kein Schicksal. Eher so gewollt, nehme ich an.«
»Das stimmt.«
Ich drehte mich auf der Stelle und spürte die feuchte Kühle, die mich umgab. »Dann würde ich gern wissen, wo ich hier bin. Kannst du mir das sagen? Nicht nur Avalon, das weiß ich selbst, aber wie nennt sich dieses Gebiet hier?«
»Du hast keine Vorstellung davon?«, fragte sie mit weicher Stimme.
»Nein.«
»Wie auch.« Jetzt drehte sie sich um und deutete in die Runde. »Wir befinden uns hier auf einem Friedhof.«
Ich hatte mich eigentlich auf nichts eingestellt und wurde von der Aussage überrascht, sodass ich sie sogar wiederholte, nur eben als Frage. »Auf einem Friedhof? Habe ich dich da richtig verstanden?«
»Du hast dich nicht verhört.« Mit beiden Händen deutete sie an verschiedene Stellen.
»Mann kann auch sagen, dass es ein Feld der unzufriedenen Geister ist. Der Zeitengeister. Hier ist alles anders. Der Tod ist zwar überall, aber die Magie ebenfalls, denn
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