1676 - Die Jenseits-Kutsche
und nach einigen Sekunden fing sie an zu sprechen. Es waren leise Worte, die über ihre Lippen drangen, und sie wurden in einer mir unbekannten Sprache gesprochen.
Ich wusste, dass diese Kutsche einem Zauberer gehört hatte. Er war in der Lage gewesen, sie zu führen, und das hatte Nadine von ihm übernommen. Es hatte schon mal geklappt und ich hoffte, dass es auch diesmal der Fall war. Den Start kannte ich.
Auch jetzt blieb es gleich. Es kam mir vor, als würde sich die Kutsche bewegen, was nicht direkt zutraf. Sie blieb wohl stehen, und nur die Landschaft draußen veränderte sich, als würde sie an den Fenstern vorbeifliegen.
Der leichte Schwindel war da und auch mein Blick bekam eine leichte Unscharfe. Das war mir egal. Für mich zählte nur, dass wir unser Ziel erreichten und den Conollys beistehen konnten…
***
Sheila und ihr Sohn Johnny hatten Bill weggehen sehen. Sie selbst warteten im Wohnzimmer auf ihn. Sie schauten sich an, sprachen aber nicht. Bis es Johnny nicht mehr aushielt. Er senkte den Kopf und schüttelte ihn.
»Ich kann das alles nicht verstehen«, sagte er mit leiser Stimme. »Das ist doch einfach nicht wahr. Was wird denn hier gespielt? Kannst du mir das sagen?«
»Nein, Johnny, ich weiß es nicht genau. Für mich steht nur fest, dass man es auf uns abgesehen hat.«
»Und warum?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das werden wir hoffentlich irgendwann erfahren.«
»Wenn es dann nicht schon zu spät ist.«
Ihnen waren die Hände gebunden. Sie konnten nichts anderes tun, als zu warten, und ihnen fiel auf, dass Bill schon recht lange weg war. Jedenfalls deutete Sheilas Bemerkung darauf hin.
»Dauert es denn so lange, eine Pistole zu holen?«
»Nein, das glaube ich nicht.« Sheila schluckte. »Ich will den Teufel ja nicht an die Wand malen, aber seltsam ist das schon.«
Johnny nickte. »Soll ich nachsehen?«
»Nein - oder ja?« Sheila winkte schnell ab. »Wir können ja noch eine Minute warten.«
»Okay, dagegen habe ich nichts.« Johnny blickte demonstrativ auf seine Uhr. Kurz danach merkte er, wie lang eine Minute werden konnte. Die Sekunden flössen zäh dahin und von seinem Vater war noch immer nichts zu hören. Sein Herz klopfte schneller. Er spürte auch eine gewisse Trockenheit in der Kehle und im Gegensatz dazu waren seine Handflächen schweißfeucht geworden. Auch Sheila war nervös. Sie blickte ihre Uhr nicht an und hörte nur, dass Johnny sagte, dass die Zeit vorbei sei.
»Ja, ich dachte es mir.«
»Soll ich dann?«
Sheila schlug die Augen nieder, seufzte und sagte leise: »Es ist wohl am besten.«
Johnny hatte schon auf dem Sprung gestanden. Jetzt schnellte er förmlich hoch und lief mit schnellen, aber leisen Schritten auf die Tür zu.
Er hatte vorgehabt, den Flur und den sich daran anschließenden Eingangsbereich schnell zu durchqueren, aber das ließ er bleiben und ging wesentlich langsamer. Etwas störte ihn…
Möglicherweise war es die Stille. Er war eigentlich davon ausgegangen, etwas zu hören, auch, wenn er sich nicht darauf festgelegt hatte, was es war. Aber diese Friedhofsstille ging ihm quer. Die sah er nicht als normal an. Johnny ging so leise wie möglich. Den Vorsatz, nach seinem Vater zu rufen, hatte er zur Seite geschoben. Er befürchtete, damit einen Fehler zu begehen, und so etwas konnte er sich in seiner Situation nicht erlauben.
Ohne angegriffen oder entdeckt worden zu sein, erreichte er den Eingangsbereich. Er lag stets ein wenig im Halbdunkel.
Johnny schaute zur Haustür.
Genau dort sah er den Schatten.
Aber er sah noch mehr.
Der Schatten lebte, er trat sogar einen Schritt vor und Johnny sah auf dem Kopf eine ungewöhnliche Bedeckung.
»Willst du weg?«, sprach ihn die Vogelscheuche mit leiser, aber krächzender Stimme an…
***
Sheila Conolly war allein dem großen Wohnraum zurückgeblieben. Sie fühlte sich alleingelassen. Und das in einer Umgebung, die sie liebte. Das konnte sie nicht fassen, das war ihr unbegreiflich. Wohin hatte die andere Seite ihre Familie gebracht?
Die Antwort kannte sie nicht, aber sie wusste, dass die Gefahr vorhanden war. Eine Gefahr, die sich aus einer anderen Welt oder Dimension gelöst hatte und nun auf sie eingedrungen war, ohne sich im Moment zu zeigen.
Immer wieder schaute sie in den Garten. Dort hatte sich nichts verändert. Da stand keine Kutsche und da waren auch nicht ihre Passagiere zu sehen. War alles nur ein böser Traum gewesen?
Darauf hoffte sie, doch die Angst wollte nicht weichen.
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