1676 - Die Jenseits-Kutsche
triftige Gründe, über die Johnny im Einzelnen nicht nachdachte. Er sah auch kein Lächeln auf den Gesichtern. Selbst das der Prinzessin wirkte starr, als wären alle drei in Puppen verwandelt worden, die darauf warteten, dass sie sich wieder bewegen konnten. Und das geschah. Allerdings nicht bei allen, denn es begann mit der Vogelscheuche. Sie straffte sich. Einen Moment später setzte sie sich in Bewegung. Die Conollys bekamen alles mit. Sie reagierten nicht. Sie warteten darauf, dass etwas geschah, und tatsächlich kam die Vogelscheuche näher an das Haus heran. Sie wechselte auch nicht die Richtung und ging auf den wartenden Johnny zu, der sich weiterhin nicht von der Stelle rührte.
Er hatte den Eindruck, stehen bleiben zu müssen, und sah die Gestalt von Sekunde zu Sekunde deutlicher.
Ja, sie war schon hässlich, aber er empfand sie im Moment nicht als bedrohlich. Der Kopf schien aus alter Baumrinde zu bestehen, die entsprechend geformt worden war. Die Hände sahen ebenfalls so aus und nur die Augen leuchteten wie kalte Lichter, als befände sich innerhalb des Kopfes eine Lampe.
Nichts hielt die Vogelscheuche auf. Sie schritt über die Beete hinweg und zertrat die frischen Sommerblumen, was in diesem Fall das kleinere Unglück war. Johnny rührte sich nicht. Er war auf eine bestimmte Weise fasziniert, denn es sah so aus, als wollte die Vogelscheuche nur ihn. Sie waren ja Bekannte, das stimmte alles, und als die Vogelscheuche jetzt stehen blieb - sogar dicht vor der Scheibe - fühlte sich Johnny in ihren Bann gezogen.
Es war wie schon einmal. Er sah nur diese Gestalt. Alles andere war verschwunden. Nichts gab es mehr, und dann erlebte er, dass sich der dünne Mund der Gestalt zu einem Grinsen verzog und dabei einen Halbmond bildete.
»Wir wollen dich! Ich will dich!«
Das Flüstern der Stimme schwirrte in Johnnys Kopf. Er konnte keine Antwort geben, brachte es auch nicht fertig, Fragen zu stellen, und musste erleben, wie die Vogelscheuche eine Hand ausstreckte und sie gegen die Glasscheibe drückte. In diesem Moment hatte Johnny den Eindruck, in einen Sog geraten zu sein. Er vergaß sich selbst. Das Gefühl, das er schon kannte, überfiel ihn mit Macht. Hätte man ihn jetzt geholt, er hätte sich nicht wehren können, und das Gefühl, dass ihn die andere Seite holen würde, verdichtete sich immer mehr.
Er hatte im Hinterkopf keine Augen.
So sah er nicht, dass seine Eltern reagierten. Bisher hatten sie nichts getan und alles so laufen lassen. Das wollten sie nicht mehr, denn sie ahnten, dass mit Johnny etwas nicht stimmte.
»Bill, willst du nicht…«
Sheila musste den Satz nicht erst zu Ende sprechen, da war ihr Mann schon unterwegs. Er rannte auf seinen Sohn zu. Die Vogelscheuche interessierte ihn nicht. Dafür schlug er Johnny beide Hände auf die Schultern und wirbelte ihn herum. Er fiel in Bills Arme und der Reporter zerrte ihn zurück in die relative Sicherheit. Er hörte Johnny schwer atmen. Er sah den anderen Ausdruck in seinen Augen, der ihm klarmachte, dass sein Sohn irgendwie weggetreten war, und er hielt ihn fest, denn er wollte nicht, dass Johnny sich noch mal in die Nähe des Fensters begab. Deshalb drückte er ihn in den Sessel, neben dem Sheila stand und in das Gesicht ihres Sohnes schaute.
Der zwinkerte mit den Augen. Er schluckte auch einige Male und flüsterte den Namen seiner Mutter.
Bill aber drehte sich zur Seite. Er warf einen Blick auf das Fenster und in den Garten. Erst wollte er das Bild nicht glauben und schüttelte den Kopf. Aber es stimmte, was bei ihm sogar ein leises Lachen auslöste, obwohl er nicht fröhlich war. Jedenfalls gab es keinen Zweifel.
Der Garten war leer!
***
Bill Conolly wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder ob er damit rechnen musste, dass die drei Gestalten bereits eine neue Aktion planten. Da war alles möglich. Zunächst aber war ihnen eine Atempause gegönnt worden.
Er drehte sich wieder um.
Sheila kniete neben dem Sessel, in dem Johnny saß. Er war dabei, wieder zu sich zu kommen, und strich durch sein Gesicht. Dabei stöhnte er auf, er schüttelte auch den Kopf, als er seine Hände hatte sinken lassen.
»Es ist wieder alles okay«, sagte seine Mutter. »Du müsst dir keine Sorgen mehr machen.«
»Das stimmt«, bestätigte Bill vom Fenster her. »Schaut in den Garten. Unsere Besucher sind weg!«
Sheila und Johnny taten es. Hinter dem großen Fenster sahen sie keinen Fremden mehr. Der Garten lag leer vor ihnen. Aber jubeln
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