1685 - Angriff der Racheengel
die anderen Männer mischten sich nicht ein. Nach einigen Sekunden hörten wir ihn flüsternd fragen: »Wer seid ihr? Wo kommt ihr her?«
Ich sagte die Wahrheit.
Die Männer nahmen es zur Kenntnis. Jemand wollte wissen, was wir von Bilic wollten.
»Ihm einige Fragen stellen.«
»Und worum geht es dabei?«
»Das werden wir ihm selbst sagen.«
»Goran ist nicht gut«, erklärte der alte Mann. »Das haben wir leider schon erlebt. Er denkt, er wäre ein König. Er hat sich bei einigen von uns unbeliebt gemacht. Er hat Menschen geschlagen und denkt manchmal, dass der Krieg noch nicht beendet ist. Deshalb will ich euch sagen, wo ihr ihn finden könnt. Geht auf das erste Haus zu und darum herum. Er wohnt im hinteren Teil, halb im Keller.«
»Lebt er dort allein?«, fragte Suko.
»Ja, aber nicht immer. Manchmal hat er Frauen da, die auch nicht gut sind.«
»Jetzt auch?«
»Nein.«
»Ist er denn allein?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Er hat einen Freund mitgebracht. Wir kennen ihn nur unter den Namen Durec. Keiner hier mag ihn.«
»Das kann ich verstehen. Noch eine Frage hätte ich. Wisst ihr, wie dieser Bilic sein Geld verdient?«
»Er macht Geschäfte.«
»Welche?«
Nach dieser Frage hob nicht nur der Sprecher seine Schultern an, auch die anderen Männer reagierten so. Mehr konnten wir nicht erwarten, doch es war gut gewesen, dass wir uns nach diesem Goran Bilic erkundigt hatten. Wir wussten jetzt, dass er sich nicht allein in der Wohnung aufhielt.
Ich nickte Suko zu. Den Weg kannten wir, und ich hoffte, dass niemand Bilic warnte. Auf dem Weg zu ihm musste ich ständig an den Engel denken. Für mich stand fest, dass es nicht unsere letzte Begegnung mit ihm gewesen war. In welch einem direkten Zusammenhang er allerdings mit Bilic stand, war uns fremd.
Wir hatten das Haus an der Seite umrundet und gelangten an die Hinterseite. Dort gab es einen Hof, der leicht abfiel und sich somit dem Gelände angepasst hatte. Deshalb lagen an einer Seite die Kellerfenster frei, das heißt, dort war eine Wohnung eingerichtet worden, denn die oberen Hälften der Fenster waren zu sehen. Ebenso wie die Treppe, die an der Hauswand entlang nach unten führte und vor einer dunkelgrauen Tür endete.
Wer die Treppe hinabging, der musste auch an den Fenstern vorbei. Da konnten auch wir keine Ausnahme machen. Licht brannte nicht hinter den Scheiben. Als wir hindurchschauten, war kaum etwas dahinter zu erkennen.
»Wenn er da ist und uns gesehen hat, wird er auf uns lauern«, meinte Suko.
»Das sehe ich auch so.«
Sekunden später standen wir vor der grauen Tür, die natürlich verschlossen war. Sie sah recht stabil aus. Eine Klingel gab es nicht. Wer zu Bilic wollte, musste klopfen.
Suko wollte dies tun. Er hatte bereits seine rechte Hand angehoben, als wir hinter uns ein Geräusch hörten. Es klang nicht gefährlich und sorgte auch für kein Alarmsignal bei uns, aber wir drehten uns schon um und zuckten im selben Augenblick zusammen.
Wir waren nicht mehr allein.
Auf der Treppe stand jemand.
Er war der Engel!
***
Gedacht hatten wir öfter an ihn. Dass wir ihn allerdings so schnell wieder zu Gesicht bekommen würden, damit hätten wir nicht gerechnet. Er stand da und versperrte uns den Rückweg. Eine Waffe trug er nicht. Seine Flügel waren auch nicht zu sehen, er hatte sie an seinem Rücken eingeklappt.
»Das ist ein Ding«, flüsterte Suko. »Was sagst du? Mann oder Frau?«
»Er muss eine Frau sein. Kein weiblicher Engel, sondern eine Dämonin.«
Suko nickte. »Ja, die schöne Barbelo.«
»Und jetzt bin ich gespannt, was sie von uns will.«
»Was ist mit deinem Kreuz?«
»Es hat sich nicht gemeldet.«
»Wie kommt das?«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht geht im Moment keine Gefahr von ihm aus.«
»Mag sein. Auch wenn ich es nicht so recht begreifen kann. Was hast du jetzt vor?«
»Mit ihm reden oder kommunizieren.«
»Okay, ich halte mich zurück.«
Auch wenn mir das Kreuz keine Warnung zuschickte, ich ging trotzdem auf Nummer sicher. So holte ich es von meiner Brust weg und ließ es – wie so oft – in meiner Jackentasche verschwinden. So hatte ich es schnell zur Hand, wenn es sein musste.
Der Engel ließ mich kommen.
Ich wusste noch nicht, ob ich ihm so weit entgegen gehen sollte, dass ich ihn anfassen konnte. Es war auch die Frage, ob er mich so weit kommen lassen würde.
Ich blieb zwei Stufen vor ihm stehen, schaute leicht nach oben, und er musste nach unten blicken. Ich war auf seine Augen
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