1692 - Das Denkmal
Schritt vor, um sich zu überzeugen – und gab mir recht.
»Ja, es sieht anders aus.«
»Und warum wohl?«
»Das habe ich dir gesagt, John. Shao und ich hatten beide das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Dass irgendjemand oder irgendetwas unsichtbar im Hintergrund lauert. Kann es sein, dass dein Kreuz der Beweis dafür ist? Oder siehst du das anders?«
»Eigentlich nicht«, murmelte ich, »aber …«
Das Kichern riss mir die Worte von den Lippen. Keiner von uns hatte es abgegeben, und doch hatte ich mich nicht geirrt. Es war hier in der Wohnung erklungen.
Shao drehte sich um.
Suko reagierte ebenfalls so.
Auch Ada Wells hatte es gehört. Sie saß auf dem Platz und presste eine Hand gegen den Mund. Dabei waren ihre Augen geweitet.
Ich war zurückgegangen und stand mit dem Rücken zur Wand. Auch in mir hatte sich eine Spannung ausgebreitet, die an meinen Nerven zerrte.
Und dann hörten wir die Worte, die aus dem Unsichtbaren gesprochen wurden.
»Keine Sorge, ihr habt euch nicht geirrt«, erklärte eine neutral klingende Stimme. »Ich bin bei euch. Nur könnt ihr mich nicht sehen, und das ist auch gut so …«
***
Nur die Stimme hatte uns aus dem Unsichtbaren erreicht, die Person selbst blieb unsichtbar, denn so lagen alle Vorteile in ihren Händen, denn sie allein bestimmte, wann sie sichtbar wurde und wann nicht.
Wir verhielten uns zunächst ruhig und suchten mit unseren Blicken trotzdem das Zimmer ab. Es war vergeblich, der Sprecher zeigte sich nicht. Aber es war Malloch, daran gab es nichts zu rütteln. Ich hätte ihn gern vor mir gesehen, doch den Gefallen tat er uns leider nicht. Er blieb auch weiterhin versteckt.
Stumm wollten wir auch nicht bleiben, und ich war es, der die Stille unterbrach.
»Du bist Malloch, wie?«
Wir hörten zunächst nichts. Dann erfolgte ein leises Lachen. »Ja, gratuliere, dass du meinen Namen nicht vergessen hast, John Sinclair.«
»Wie könnte ich das?«
Kichernd sagte er: »Erinnert euch das an eure große Niederlage? Dass ihr nur überlebt habt, weil euch ein anderer half?«
»Niederlage?« Diesmal lachte ich. »Nein, ich denke nicht, dass es eine Niederlage gewesen ist. Denn du hast schließlich nicht gewonnen. Zwar haben wir dich nicht aus dem Verkehr ziehen können, aber der Gerechte stand an unserer Seite und verwandelte dich in ein Denkmal.«
»Das war euer Glück.«
Jetzt provozierte ich. »Und das bist du noch immer. Nichts anderes als eine Figur aus Stein, die uns hier Furcht einjagen will. Aber das schaffst du nicht.«
Jeder von uns hörte ein Geräusch, das wie ein Fluch klang. Die Erinnerung an seine Niederlage schien ihm nicht zu gefallen. Ich hetzte weiter. »Warum zeigst du dich denn nicht? Bist du zu feige? Hast du Angst, dass du wieder zu Stein wirst und …«
»Hör auf damit. Du kannst mich nicht provozieren. Ich will dir nur sagen, dass ich besser bin. Ich werde mich euch auch zeigen. Du kannst die Frau fragen, die mich sah. Sie hat …«
»Ja, sie hat dich gesehen«, rief ich laut, »aber warum hast du sie gezeichnet? Sie hat dir nichts getan. Du hättest sie in Ruhe lassen können.«
»Das hätte ich. Ich wollte es nur nicht. Ich wollte, dass wir uns so schnell wie möglich begegnen, und deshalb habe ich es getan. Ich setze Zeichen, das ist nun mal so.«
»Stimmt. Das haben wir bei Earl Simmons gesehen, der dein Zeichen ja nicht überlebt hat.«
»Er war ein Narr!«
»Und warum war er das?«
»Weil er sich gegen mich gestellt hat. Deshalb.«
»Was hat er getan?«
»Er wollte meinen Kreis verlassen. Er glaubte nicht mehr an die Engel. Sein altes Leben war ihm wichtiger. Ich konnte ihn nicht überzeugen. Deshalb habe ich ihm das Leben genommen.«
»Ja, und aus dem Denkmal ist wieder ein lebendes Monster geworden.« Ich wollte ihn auf ein bestimmtes Ziel lenken und hoffte, dass er darauf einging.
»Was siehst du denn vor dir?«, fragte er.
»Nichts.«
Er lachte aus dem Unsichtbaren hervor. »Was könntest du denn vor dir sehen?«
»Ein Denkmal«, sagte ich und hoffte, ihn so zu provozieren.
»Nein, das war einmal. Es gibt nur wenige Dinge, die für ewig sind. Ich bin es auch, aber ich bin anders, ich bin kein Mensch, ich werde ewig sein.«
»Das glaubst du«, höhnte ich.
»Ist mein Erscheinen nicht Beweis genug?«
»Nun ja, abgesehen davon, dass ich dich nicht sehe, habe ich doch meine Bedenken. Ist es nicht möglich, dass man dich im Unsichtbaren gefangen hält?«
»Nein, ich bin frei. Simmons’ Tod war eine
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