1695 - Rasputins Erben
ersten Mal erhielt sein Blick eine gewisse Klarheit. Er sah und erkannte mich.
»Sie?«, keuchte er.
»Ja. Das ist kein Traum.«
»Und Hill?«
»Bleiben wir erst mal bei Ihnen, Borodin. Sie haben es überstanden. Alles andere schieben wir mal zur Seite.«
Er hustete wieder, kniete jetzt und noch immer drang dieses schmutzige Wasser aus seinem Mund.
Suko kam auf mich zu. »Ich habe schon Bescheid gegeben, dass der Tote abgeholt wird. Wenn er tatsächlich ein Diplomat ist, kann es zu Komplikationen kommen.«
Ich winkte ab. »Darum soll sich Sir James kümmern.«
Suko nickte. »Das habe ich mir schon gedacht. Er weiß bereits Bescheid.«
Wir waren zwar auch nass geworden, aber nur in der unteren Körperhälfte. Anders sah es mit Borodin aus. Seine Kleidung hatte sich mit Wasser vollgesogen.
Ich zog ihn auf die Beine und hielt ihn fest, weil er schwankte.
»Was ist denn jetzt los?«, fragte er keuchend.
»Ganz einfach, wir werden Sie nicht hier im Freien lassen.«
»Und wo soll ich hin?«
»In unseren Wagen.«
Er schluckte, dann drehte er sich um und sah den toten Hill im Sand liegen. Ein Schrei wollte seinen Mund verlassen. Im letzten Augenblick überlegte er es sich anders und presste eine Hand auf seinen Mund.
Suko wollte draußen bei dem Toten bleiben. Es war nicht gut, wenn Spaziergänger ihn entdeckten. Und dass der Park nicht leer war, das hatten wir ja erlebt.
»Kommen Sie, Borodin«, sagte ich und schob den Mann in Richtung Fahrzeug. Dass wir ein Stück zu gehen hatten, ließ sich leider nicht ändern, aber im Auto konnte ich die Heizung einschalten, denn ich wollte nicht, dass sich Borodin eine Lungenentzündung holte.
***
Mit einem Papiertaschentuch wischte Gabriel Borodin sein Gesicht einigermaßen trocken. Etwas anderes hatte ich ihm nicht geben können.
Wir saßen im Fond des Rovers. Die Kollegen hatten schnell reagiert. Wir hörten das Jaulen der Sirenen. Bald würden die Wagen den Park erreicht haben. Einigen Fahrern, die auf dem Parkplatz standen, schien das nicht zu gefallen. Sie suchten das Weite.
Es war für einen Menschen nicht einfach, gewisse Erlebnisse zu verkraften. Da machte auch Gabriel Borodin keine Ausnahme, obwohl er dank seiner Ausbildung ziemlich abgebrüht sein musste. Aber auch für ihn gab es Grenzen, das stellte ich fest.
Er musste sich erholen und das verkraften, was hinter ihm lag. Ich hörte ihn heftig atmen, sein Blick glitt zwar durch die Scheibe, war aber ins Leere gerichtet.
Ich hatte ihn in Ruhe gelassen. Das war nun vorbei und ich stellte ihm die erste Frage.
»Sind Sie in der Lage, mir zu sagen, was da genau abgelaufen ist?«
Er stieß die Luft aus. Dann sagte er: »Es ist verdammt knapp gewesen, nicht wahr?«
»Das kann man sagen.«
»Sie haben mich vor dem sicheren Tod gerettet, John!«
So etwas zu hören war mir immer unangenehm. »Nun ja, das ist zwar so gewesen, aber lassen Sie das bitte.«
»Es stimmt aber.«
»Mag sein. Für mich ist wichtig, zu erfahren, was Ihnen passiert ist und wie Sie in die Lage hineingeraten sind.«
Borodin wollte noch nichts zu diesem Thema sagen. Stattdessen fragte er: »Was ist mit Hill?«
Ich musste ihm die Wahrheit sagen. Die Worte drangen nicht flüssig über meine Lippen. Borodin blickte mich dabei an. Er las in meinem Gesicht die Antwort vorweg.
»Er ist tot, nicht?«
Ich nickte.
Er senkte den Blick. »Ich habe es geahnt. Hill hat sich zu viel vorgenommen. Es ist schlimm gewesen, sehr schlimm, aber ich konnte nichts tun, gar nichts …«
»Was hat er Ihnen denn noch sagen können?«
Borodin schaute mich an und dachte dabei nach. Schließlich sprach er davon, dass Hill so etwas wie ein Mann mit zwei Hintergründen war. Er hatte zwar einen englischen Namen angenommen, war aber von Geburt her Russe. Er hatte seinen Job an der russischen Botschaft erhalten und arbeitete eigentlich als Agent. Seine Tarnung kam ihm dabei perfekt zupass.
Ich kam wieder auf das eigentliche Thema zu sprechen. »Und er hat Ihnen nichts von den Erben Rasputins erzählen können?«
»Er hat es versucht. Aber ich habe nicht viel erfahren. Er hat mir nur bestätigt, dass es die Erben Rasputins gibt, aber konnte mir keine Namen nennen.«
»Aber Sie wissen, dass sie hier in London sind und ihre Macht ausgebreitet haben.«
»Davon gehe ich aus.«
»Und was wollen sie hier genau? Gibt es Pläne, die Hill Ihnen verraten hat?«
Borodin schaute nach unten. »Ja, es wird Pläne geben, das zweifelsohne. Aber ich kenne sie nicht. Er
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