1695 - Rasputins Erben
gefallen.«
»Das ist richtig.«
Ich fragte weiter. »Haben Sie mit Hill über ihn gesprochen?«
Borodin senkte den Blick. Erneut schluckte er. Die dünne Haut an seinem Hals bewegte sich. »Ja, ich habe es versucht. Ich konnte das Thema anschneiden, aber ich bin aufgelaufen. Hill konnte oder wollte nichts über ihn sagen. Er hat nur davon gesprochen, dass es ihn gibt und viele Menschen Angst vor ihm haben.« Borodin hob die Schultern an. »Er soll ein blasierter und arroganter Typ sein. Einer, für den Menschen nur Spielzeuge sind.«
»Und wo könnte man ihn finden?«
»Überall und nirgends.«
»Gibt es eine Beschreibung von ihm?«
»Das schon.«
»Und? Haben Sie nach Einzelheiten gefragt?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich weiß nur, dass er sich ungewöhnlich kleidet. Als würde er in der Vergangenheit leben.«
»Und wir müssen davon ausgehen, dass er der Chef der Erben Rasputins ist – oder?«
»Zumindest einer von denen, die das Sagen haben.«
Ich öffnete ein Fenster, weil die Feuchtigkeit innerhalb des Rovers zugenommen hatte. »Konnte Hill Ihnen denn sagen, wie die Pläne der Erben hier in London aussehen? Was sie jetzt vorhaben? An wen sie herangehen?«
»Nein, aber es gibt Gerüchte, dass sich die Erben an die Mitarbeiter der Botschaft heranmachen, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen.«
»Das ist nicht neu. Aber hat Hill Ihnen vielleicht gesagt, wen sie aufs Korn genommen haben?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das hat er nicht.«
»Haben Sie ihn gefragt?«
»Sicher, aber Hill sagte mir, dass die andere Seite noch nicht so weit wäre. Er hat jedenfalls in der Botschaft nichts davon gehört. Nichts Konkretes, meine ich.«
»Und sonst?«
Gabriel Borodin überlegte. Ich sah es seinem Gesicht an, dass er noch nicht alles gesagt hatte, und wenig später erfuhr ich, dass ich mich nicht geirrt hatte.
»Er selbst hatte Angst.« Borodin nickte. »Ja, er hat Angst gehabt. Um seine Person. Das ist nun mal so, und ich habe es ihm geglaubt, was sich ja auch bestätigt hat. Die andere Seite muss von seinen Aktivitäten erfahren haben. Er stand bereits auf ihrer Liste. Jetzt ist für ihn alles vorbei. Er hat sie unterschätzt. Seine Tarnung fiel auf, die er sich hier in London geschaffen hat.«
»Können Sie mir erklären, wie sie aussah?«
»Kann ich. Wir haben darüber geredet. Er hat ein normales Leben geführt, aber leider nicht allein, das muss ich jetzt sagen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Er war liiert. Er lebte mit einer Frau zusammen. Sie ist wohl eine Irin und heißt Lisa Cameron.«
»Und weiter?«, flüsterte ich.
»Hill gab zu, dass Lisa sein schwacher Punkt wäre. Wir müssen davon ausgehen, dass er Angst um sie gehabt hat.«
»Das glaube ich. Dann ist zu befürchten, dass die Erben Rasputins reinen Tisch machen und diese Lisa Cameron töten.«
»Davor fürchtete er sich.«
»Wo können wir sie finden?«
»Das ist schwer. Sie lebte mit ihm zusammen, aber sie hatte nichts mit seinem Job zu tun. Seine Anschrift kenne ich nicht. Da muss ich passen.«
»Das lässt sich herausfinden.« Ich wollte zum Schluss kommen. »Wenn wir also alles zusammenzählen und uns nichts vormachen, dann können wir davon ausgehen, dass Sie und auch Lisa Cameron sich in großer Gefahr befinden.«
Gabriel Borodin schaute auf seine Hände, als könnte er dort eine Antwort ablesen. Schließlich gab er zu, dass es so war und er jetzt zwischen den Fronten stand.
»Man wird Sie verfolgen«, sagte ich, »aber das kann auch unsere Chance sein.«
Borodin begriff schnell. »Ach, ich soll für Sie so etwas wie ein Lockvogel sein – oder?«
»Das kann man sagen.«
»Mist«, flüsterte er.
»Wir können Sie auch in Schutzhaft nehmen«, schlug ich vor.
»Nein, ich will nicht in einer Zelle sitzen. Und auch nicht in irgendeinem Hotel versteckt sein, wo man mich sowieso finden würde. Diese manipulierten Killer sind gefährlich. Sie werden mich immer finden. Sie haben mich ja auch gefunden. Ich wäre tot gewesen, wenn Sie nicht erschienen wären. Deshalb gehe ich den Fall offensiv an und verstecke mich nicht.«
»Danke, das ist sehr mutig.«
»Ich bin Agent und darauf gefasst, dass mein Leben schnell vorbei sein kann.«
Ich kam noch mal auf die Angreifer zurück und wollte wissen, wie sie an das Boot herangekommen waren.
»Unter Wasser. Es war ja dunkel. Sie konnten bis zu ihrem Ziel schwimmen und dann im richtigen Moment auftauchen. Und es waren genau drei Angreifer. Als Sie und Suko dann
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