1696 - Blutbeute
von der Ausstrahlung des Kreuzes ging auf sie über, aber es war kaum in Worte zu fassen. Das sah ich ihr an. Sie versuchte es wohl, doch es blieb einzig und allein ein Zucken der Schultern übrig.
»Behalten Sie es vorerst«, sagte ich und stand auf, weil ich mich bewegen wollte. Natürlich wartete ich gespannt darauf, ob sich Suko meldete. Bisher hatte sich nichts getan. Er und Justine befanden sich noch auf der Suche.
Ich beneidete die beiden nicht. Das Haus war groß. Es gab acht Etagen, die abgesucht werden mussten. Die Anzahl der Wohnungen auf jeder Etage war mir unbekannt.
Mein nächster Weg führte mich zum Fenster. Für das eine Zimmer war es sogar recht breit. Es bot mir einen guten Blick nach draußen.
Über London lag die Nacht wie eine schwarzgraue Wand. Richtig dunkel war es nicht, denn London erstrahlte in einem Lichterglanz, der sich von unten her in die Höhe schob und Teile der Dunkelheit zerstörte.
Viele Lichter bewegten sich. Sie lagen tief unter mir. Es waren die Scheinwerfer der Autos, denn der Verkehr in einer Stadt wie London erstarb nie.
Die Luft im Raum war nicht die beste. Sie wirkte abgestanden, und deshalb öffnete ich das Fenster, um Frische einzulassen. Der Wind kühlte mein Gesicht, und bald darauf breitete sich der kühle Hauch auch in der Wohnung aus.
Gegenüber standen ebenfalls Häuser. Sie waren nicht so hoch wie das, in dem ich mich befand. So war es leicht für mich, auf die Dächer zu schauen, die flach waren. Es gab keine Schrägen, nur einige Aufbauten, deren Funktionen mir nicht bekannt waren.
Es war auch nicht wichtig, denn ich wurde durch etwas anderes abgelenkt. Auf dem Dach des Hauses, das mir direkt gegenüberlag, sah ich eine Bewegung. Zuerst dachte ich an einen großen Vogel, doch das war ein Irrtum. So große Vögel gab es hier nicht. Aber was immer es war, es blieb nicht auf dem Dach, sondern löste sich davon und stieg in die Luft. Ich war froh darüber, dass kein Nebel herrschte, so war trotz der Dunkelheit etwas zu erkennen.
Nein, das war kein Vogel, obwohl die Gestalt mit Schwingen oder Flügeln ausgestattet war. Hier hatte ich etwas völlig anderes vor mir, und es war mir auch nicht unbekannt. Es war eine Gestalt, die ich kannte. Der Supervampir Mallmann hatte sich in eine ähnliche Gestalt verwandeln können. Bei ihm war es eine riesige Fledermaus gewesen.
Die sah ich hier nicht. Es war ein Mensch mit Schwingen, die eine bestimmte Form hatten und auch ziemlich lang waren.
Lange musste ich nicht nachdenken, um Bescheid zu wissen. Was oder wer da durch die Luft flog, war ein Vampir, und ich sah sogar das lange Haar flattern.
Für mich war plötzlich klar, dass es Loretta war, die geradewegs auf das Fenster zuflog …
***
Suko und Justine waren unterwegs. Das Haus schien ausgestorben zu sein, jedenfalls hatten sie auf dem Flur noch keinen Mieter entdeckt. Die Cavallo hatte ihren Spaß. Hin und wieder lachte sie, fragte aber auch, wie Suko sich fühlte.
»Es geht.«
»Woran liegt es?«
Suko blieb stehen. »Ich würde mich besser fühlen, wenn du dich auf deine Aufgabe konzentrieren würdest. Oder hast du vergessen, wonach wir suchen?«
»Bestimmt nicht. Was soll die Eile? Wir haben Zeit.« Sie schlug Suko auf die Schulter und blieb erneut vor einer Tür stehen, um sich zu konzentrieren.
Suko musste letztendlich zugeben, dass die Blutsaugerin ihre Aufgabe schon ernst nahm. Sie war zudem in der Lage, die Feinde zu wittern, doch bisher hatten sie Pech gehabt und bis auf zwei hatten sie inzwischen alle Türen in diesem Stockwerk durch.
Hinter den meisten war es still gewesen. Nur selten hatten sie Stimmen gehört oder Geräusche, die von der Glotze kamen. Es lief alles sehr langsam und bedächtig ab. Schließlich standen sie vor der Entscheidung, ob sie nach unten oder oben fahren sollten.
Justine stemmte ihre Arme in die Seiten. »Was meinst du? Hoch oder …«
Suko wollte keine lange Diskussion. Er hatte sich schon entschieden. »Wir fahren hoch.«
»Okay. Fahren oder gehen?«
»Wir nehmen den Lift.«
»Gut.«
Der Lift war noch nicht da. Er kam von oben. Als er stoppte, konzentrierte sich Suko auf die Tür, die sich langsam öffnete. Die Kabine war leer. Kein Halbvampir hatte die Fahrt in die vierte Etage angetreten. Suko hatte aber damit rechnen müssen, denn die Halbvampire mussten an ihr Opfer herankommen. Oder sie hatten sich anders entschieden, was natürlich mehr als schlecht gewesen wäre. Dann konnten sie sich die Opfer
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