1696 - Blutbeute
Festanschluss. Es war Judy Simmons’ Apparat. Es war besser, wenn sie abhob, und das sagte Suko ihr auch.
Sie schrak zusammen, drehte sich um, und Suko führte sie zum Apparat.
Er selbst hob ab und sorgte dafür, dass alle mithören konnten, bevor er Judy das Telefon übergab. Er nickte ihr dabei beruhigend zu, und es war zu sehen, wie sich die Frau zusammenriss.
Sie nannte mit leiser Stimme ihren Namen und hatte ihn kaum ausgesprochen, als das Gelächter erklang, das keiner von uns überhören konnte.
Selbst eine Person wie Justine Cavallo zeigte sich angespannt und ließ Judy Simmons nicht aus dem Blick. Die musste sich stark zusammenreißen, um etwas erwidern zu können. Mühsam klangen ihre Worte.
»Was wollen Sie?«
»Ich bin noch da!«
Mit dieser Antwort hatte keiner von uns gerechnet. Dass sie da war, das verstanden wir, aber die Worte hatten so geklungen, als wüsste sie Bescheid.
Da Judy schwieg und uns auch etwas hilflos anschaute, flüsterte ich ihr die nächste Frage zu.
»Wer sind Sie?«
Judy nickte. Sie wirkte erleichtert, und sie wiederholte meine Frage.
»Das weißt du doch!«
»Nein, ich kenne Sie nicht und …«
Judy wurde unterbrochen. »Ich habe dein Blut getrunken. Es hat mir nicht nur geschmeckt, es war sogar köstlich. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dich noch immer vor mir. Es war einfach wunderbar. Die Süße deines Blutes und …«
Das war zu viel für Judy. Sie lief rot an und schrie: »Hören Sie auf!«
Das tat die Anruferin tatsächlich. Dafür lachte sie kurz, um mit normal klingender Stimme weiterzusprechen. »Denk nur nicht, dass es vorbei ist, meine Teure. Du stehst weiterhin auf meiner Liste. Ich weiß, wo du bist. Du kannst uns nicht entkommen, und dir kann niemand helfen. Wir sind zu stark.«
Suko und ich warfen uns einen knappen Blick zu. Beide hatten wir genau verstanden, was gesagt worden war. Sie hatte das Wort wir benutzt. Ein Beweis, dass sie nicht allein agierte.
Wieder schaute uns Judy verzweifelt an. Sie hätte sicherlich gern das Gespräch beendet, aber das wäre nicht gut gewesen. Wir mussten noch weitere Informationen haben.
Ich sagte ihr abermals vor, was sie fragen sollte, so leise, dass sie die Worte schon von meinen Lippen ablesen musste.
Judy nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, halblaut fragte sie: »Wie heißen Sie denn?«
»Oh. Habe ich dir meinen Namen nicht gesagt?«
»Nein. Den hätte ich behalten.«
»Okay, den Gefallen werde ich dir noch tun. Ich heiße Loretta. Hast du verstanden?«
Judy sagte nichts. Sie sah mich wieder an, und ich nickte.
»Ja, ich habe verstanden.«
»Das ist gut. Ich denke, dass du ihn nie vergessen wirst. Du stehst noch immer ganz oben auf meiner Liste. Wir kontrollieren dich und sehen dich weiterhin als unsere Blutbeute. Du bist der Anfang. Andere werden folgen.«
Judy hatte sich gefangen. Es war ihr anzusehen, und sie gab sich einen Ruck.
»Wo bist du denn?«
Wieder lachte die Frau. »Ich lebe dort, wo viele Menschen sind. Ich bin mitten unter ihnen …«
Ich wünschte mir, dass Judy die richtige Frage stellte, und dieser Wunsch ging tatsächlich in Erfüllung.
»Bist du hier im Haus?«
Plötzlich wurde es still. Die andere Seite schien überrascht zu sein. Ein Atemzug war nicht zu hören, dafür vernahmen wir ein heftiges Schnaufen.
»Wir sind immer da, wo du uns nicht vermutest. Diese Nacht ist noch lang. Mach dich auf etwas gefasst.«
Plötzlich brachen bei Judy die Dämme. »Ja, ja!«, schrie sie. »Das weiß ich. Aber ich habe keine Angst mehr. In meiner Wohnung liegen zwei Leichen. Es sind deine Helfer. Wir haben sie vernichtet, und das wird auch mit all deinen anderen Helfern passieren. Das verspreche ich dir. Man nimmt deine Blutbeute nicht an. Deine Bemühungen sind umsonst …«
Judy brach ab. Es hatte keinen Sinn mehr, wenn sie sich noch weiter aufregte, denn diese Loretta hörte nicht mehr zu. Die Leitung war tot. Das merkte auch Judy, die mit unsicheren Schritten zur Seite wankte und sich in einen Sessel fallen ließ.
Suko nahm ihr das Telefon aus der Hand und stellte es zurück auf die Station.
In den folgenden Sekunden sprach niemand von uns. Wir schauten uns an und hingen unseren Gedanken nach, bis Suko sich an die Blutsaugerin wandte, die nahe der Tür mit vor der Brust verschränkten Armen stand.
»Hast du alles gehört?«
Justine grinste. »Du nicht?«
»Doch, das habe ich. Aber ich frage dich, ob dir der Name Loretta etwas sagt.«
Da hatte Suko genau
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